Das Vermächtnis von Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
Und in der Gestalt eines Delfins war ohnehin alles anders. Sheila versuchte krampfhaft, sich zu erinnern, wie lange es schon her war, seit sie Amrum verlassen hatte. Waren es Tage oder schon Wochen? Flüchtig dachte sie an die Schule, an ihre Klassenkameradinnen. Sabrina wusste ja zum Glück, dass Sheila mit Mario unterwegs war. Sie würde sich keine Sorgen machen …
Zur selben Zeit näherte sich dem Großen Barriereriff eine schwarze Wolke. Sie sah aus wie die schwarze Wolke, in der Zaida ihren Palast errichtet hatte, war aber viel kleiner. Hätte jemand die Wolke beobachtet, hätte er berichtet, dass sie einfach aus dem Nichts im Meer aufgetaucht war, von einer Sekunde zur anderen. Jetzt bewegte sie sich auf das Riff zu. Hatte sie anfangs noch ausgesehen wie ein schlaffer Schlauch, so wurde sie immer praller, je näher sie dem Riff kam. Wie ein Ballon, der immer weiter aufgeblasen wurde …
Kurz vor dem Riff platzte die Wolke. Aus ihrem Inneren purzelten und quollen unzählige Dornenkronenseesterne. Sie schwebten durchs Meer und ließen sich auf den Korallenbänken nieder, dicht an dicht, um dort ihre tödlichen Verdauungssäfte abzulassen und alles Leben aus den Korallen herauszusaugen.
Es war eine schreckliche Invasion – ein Überfall auf die schönen Korallenbänke des Großen Barriereriffs.
Die Eindringlinge blieben nicht unbemerkt. Von allen Seiten schwammen Korallenwächter herbei, aufgeregt und fassungslos über das, was vor ihren Augen geschah.
»Ssssie machen allessss kaputt!«, zischte einer der Fische. Vor lauter Nervosität begann er, sich im Kreis zu drehen. »Dasss dürfen sssie nicht! Wir müssssen esss verhindern!«
»Aber wie?«, fragte ein anderer Korallenwächter verzweifelt.
Die Dornenkronenseesterne lagen groß und schwer auf den Korallen und hatten ihre Stacheln bedrohlich aufgestellt. Die Fische wagten keinen Angriff. Die ersten Korallen hatten ihr Leben bereits ausgehaucht und fingen an, weiß zu werden. In kurzer Zeit würde nur noch das weiße Kalkskelett von ihnen übrig sein …
»Wir müssssen Hilfe holen!«, meinte ein Korallenwächter und schoss los, um sich nach Verstärkung umzusehen.
Innerhalb weniger Minuten befand sich das ganze Riff im Alarmzustand. Die Nachricht, dass Dornenkronenseesterne eingedrungen waren, verbreitete sich wie ein Lauffeuer.
Zwei Karettschildkröten schwammen herbei und betrachteten stumm vor Entsetzen das Zerstörungswerk. Ein Schwarm Geisterpfeifenfische war ebenfalls zur Stelle, aber die kleinen Fische konnten nichts gegen die schädlichen Seesterne ausrichten. Erst als Nautilus, der uralte Tintenfisch, auftauchte und vor Schreck eine kleine Tintenwolke ausstieß, hatte eine der beiden Karettschildkröten eine Idee.
»Wir brauchen Tritonshörner, und zwar möglichst schnell!«, rief sie.
»Und möglichst viele«, ergänzte die andere Schildkröte.
Tritonshörner, die großen Meeresschnecken, waren die natürlichen Feinde der Dornenkronenseesterne. Doch wie sollte man jetzt auf die Schnelle genügend zusammentrommeln? Tritonshörner waren selten geworden, sie waren bei Tauchern sehr begehrt. Inzwischen war das Sammeln in manchen Teilen des Meers streng verboten, aber der Bestand hatte sich noch nicht erholt.
Nautilus rieb sich mit einem seiner langen Arme den Kopf. Er hütete sich, in die Nähe der giftigen Dornenkronenseesterne zu kommen.
»Esss mussss eine Lössssung geben«, flüsterte ein Korallenwächter, der neben Nautilus im Wasser schwebte und emsig mit den Flossen wedelte. »Wir können doch nicht sssulassen, dasssss unssssere ssssöne Bibliothek ssserstört wird!«
Der greise Nautilus, der während seines langen Lebens viel Wissen gesammelt und vieles wieder vergessen hatte, versuchte, sich zu erinnern. Er strengte sich sichtlich an.
»Drückerfische«, stieß er dann hervor. »Die machen den Seesternen auch den Garaus. Und Napoleonfische!«
Die Korallenwächter fingen an zu zischeln. Und dann flitzten sie in alle Himmelsrichtungen davon, um die Nachricht weiterzutragen.
Inzwischen verlor Koralle um Koralle ihr Leben und es färbten sich immer mehr Teile weiß.
»Unsere Bibliothek, unsere schöne Bibliothek!«, jammerte Nautilus. »Sie wird zerstört! Für immer! Mit jeder Sekunde geht mehr Wissen verloren … o weh!« Er bedeckte mit den Fangarmen seine Augen, um das Übel nicht mitansehen zu müssen. Doch er hielt es nicht lange aus, das war schließlich keine Lösung. Mutig näherte er sich den Seesternen. Er
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