Das Vermächtnis von Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
Er hätte sicher nur wieder seinen Lieblingsspruch »Du musst einfach loslassen!« angebracht. Er konnte eben nicht nachvollziehen, wie sich eine Mutter fühlte, die sich um ihr Kind ängstigte.
Sabrina löste sich aus Gavinos Umarmung und nahm die Kabine in Augenschein, setzte sich aufs Bett, testete, wie fest die Matratze war, und zog alle Schubladen des Nachttischchens auf. Gavino trat inzwischen hinaus auf den Balkon und schaute aufs Wasser.
Sabrina seufzte und folgte ihm. Die Sonne schien warm auf ihre Haut. Noch hatte das Schiff nicht abgelegt. Erst in zwei Stunden würde die Reise losgehen. Man konnte vom Balkon aus zum Pier blicken. Noch immer kamen neue Passagiere an, die erst einchecken mussten.
Sabrina beobachtete die Menschen und stellte sich vor, wie wunderbar es wäre, wenn Sheila jetzt auftauchen und an Bord gehen würde. Sie würde plötzlich an der Kabinentür klopfen, und Sabrina könnte sie in die Arme schließen … Wie anders wäre dann die Reise! Das luxuriöse Bett war breit genug für sie drei. Sabrina malte sich aus, wie sie zusammen die Fahrt genießen würden und wie schön es wäre, als kleine Familie die Städte zu besichtigen. Auf den Piazze gemeinsam Eis zu essen, in den Souvenirläden zu stöbern, auf kleinen Tischen Ansichtskarten zu schreiben, Sehenswürdigkeiten zu fotografieren … Sie vermisste Sheila so! Tränen traten in ihre Augen. Sie wischte sie schnell weg, während der Klumpen in ihrem Magen größer und größer wurde. Am Pier stand ein Paar mit einer Tochter, die etwa in Sheilas Alter war. Die Familie wirkte glücklich und aufgeregt.
Warum ist das bei uns nicht so?, dachte Sabrina zum x-ten Mal. Warum musste Gavino ein Meereswandler sein und warumhatte Sheila seine Fähigkeit geerbt? Warum waren sie nicht eine ganz normale Familie, die nie etwas von Atlantis oder Zaidon gehört hatte! Wie viel einfacher wäre das!
»Einfach ganz normal«, flüsterte Sabrina. Wieder rollte eine Träne über ihre Wange. Schnell drehte sie ihr Gesicht zur Seite, damit Gavino sie nicht sehen konnte.
»Das wird eine großartige Reise. Bestimmt werden wir uns noch lange an sie erinnern«, sagte Gavino fröhlich. »Ich freu mich schon auf das Abendessen. Mann, haben wir ein Glück! So eine Reise hätten wir uns nie leisten können. Ich kann gar nicht glauben, dass alles umsonst ist.«
Sabrina lächelte mühsam. »Ja, ich muss mich auch richtig zwicken, weil ich denke, es ist alles nur ein Traum«, log sie. Ihr Magen schmerzte, sie legte die Hand auf ihren Bauch. Plötzlich fröstelte sie in der warmen Sonne. Sie drehte sich um und ging in die Kabine zurück, um sich einen Moment aufs Bett zu legen.
Sie musste kurz eingedöst sein, denn sie schreckte hoch, als es an der Kabinentür klopfte.
»Sheila!«, rutschte es ihr heraus.
Gavino sah sie mit verwundertem Gesichtsausdruck an, dann ging er zur Tür und öffnete. Es war ein Steward, der das Gepäck brachte. Gavino gab ihm ein Trinkgeld und schleppte die Koffer ins Zimmer.
»So, jetzt können wir auspacken.« Er legte einen Koffer aufs Bett, ließ die Verschlüsse aufschnappen, nahm einen Stapel Hemden heraus und verstaute ihn im Schrank.
Sabrina schloss wieder die Augen. Wo mochte Sheila jetzt sein? Hoffentlich ging es ihr gut …
Als das Schiff in Genua ablegte und seine Fahrt begann, hatten die drei Delfine und Spy das Mittelmeer bereits verlassen und waren in Richtung Pazifik unterwegs. Sheila hatte wieder die HUNDERTKRAFT aktiviert. Sie war froh, dass die Magie des Amuletts noch genauso funktionierte wie vorher. Zumindest konnte sie keinen Unterschied feststellen. Fortunatus hätte ja die Kraft des Steins durch seine Experimente aufbrauchen können …
Irden hatte seine eigene HUNDERTKRAFT, er schwamm neben den anderen her. Mario hing wie gewohnt an Sheila, und Spy klammerte sich an Mario fest. So ging es in rasendem Tempo vorwärts.
Sheila dachte daran, was Mario und Irden ihr erzählt hatten. Es hatte sich schon viel in der Welt verändert. Zweifellos Zaidas Werk! Und Fortunatus unterstützte die Königin des Nachtmeers. Wahrscheinlich war er nicht der Einzige. Vermutlich hatte sich Zaida in kürzester Zeit ein ganzes Netz von Helfern geschaffen. Ob sie Zaidons alte Diener dazu gebracht hatte, sie zu unterstützen? Ausgeschlossen war es jedenfalls nicht.
Wie lange es wohl noch dauern würde, bis sie mit Mario, Irden und Spy das Große Barriereriff erreichte? Mit der HUNDERTKRAFT verlor man sehr leicht das Zeitgefühl.
Weitere Kostenlose Bücher