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Das Vermächtnis von Erdsee

Das Vermächtnis von Erdsee

Titel: Das Vermächtnis von Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. Leguin
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dies und das, aber kein Name wurde genannt. Und dann...« Er schwieg eine Weile. »Dann trat das ein, was mein Volk das eduevanu nennt, der andere Atem. Worte kamen mir in den Sinn und ich sprach sie aus. Ich sagte Maha Gondun !... und Kurremkarmerruk erklärte, dass das auf Hardisch >Eine Frau auf Gont< bedeutete. Doch als ich wieder zu mir kam, wusste ich nicht, was das zu bedeuten hatte. Und so gingen wir auseinander, ohne einen Erzmagier gewählt zu haben.
    Der König reiste wenig später ab und Meister Windschlüssel mit ihm. Bevor der König gekrönt werden sollte, gingen sie nach Gont und suchten unseren Herrn, um herauszufinden, was das bedeutete: >Eine Frau auf Gont<. Doch sie fanden nichts, nur meine Landsmännin Tenar vom Ring. Sie sagte, sei sie nicht die Frau, die sie suchten. Und sie fanden niemanden, nichts. So kam Lebannen zu dem Schluss, das sei eine Prophezeiung, die sich erst noch erfüllen müsse. Und in Havnor setzte er sich selbst die Krone aufs Haupt.
    Der Meister der Kräuterkunde und ich erklärten den Gebieter für tot. Wir glaubten, dass der Atem, der immer noch durch ihn hindurchging, mit irgendeinem seiner Zauber zusammenhing, den wir nicht kannten - wie die Zauber, die Schlangen wirken und durch die ihr Herz lange nach dem Tod noch weiterschlägt. Trotzdem schien es zu schrecklich, einen atmenden Körper zu begraben, aber er war kalt, das Blut zirkulierte nicht und es war keine Seele in ihm; das war eigentlich noch schrecklicher. So trafen wir Anstalten, ihn zu begraben. Und dann, an seinem Grab, schlug er die Augen auf. Er bewegte sich und redete. Er sagte: >Ich habe mich selbst ins Leben zurückgerufen, um zu tun, was getan werden muss.<«
    Die Stimme des Formgebers war rau geworden und mit einem Mal wischte er das kleine Stilleben aus Kieselsteinen mit der flachen Hand weg.
    »Daher waren wir, als Windschlüssel zurückkam, wieder neun. Aber gespalten. Denn der Gebieter verlangte, wir sollten erneut Zusammenkommen und einen Erzmagier wählen. Der König habe keinen Platz unter uns. Und eine >Frau auf Gont<, wer auch immer sie war, hat keinen Platz unter den Männern von Rok, hm? Windschlüssel, der Sänger, der Verwandler und Hand gaben ihm Recht. Und wie König Lebannen aus dem Tod wiedergekehrt ist, so, sagen sie, wird auch der Erzmagier ein vom Tode Wiedergekehrter sein.«
    »Aber...«, begann Irian und verstummte.
    Nach einer Weile fuhr der Formgeber fort: »Diese Kunst des Gebietens, weißt du, ist... furchtbar. Da ist immer Gefahr dabei. Hier«, und er schaute in die grüngoldene Dunkelheit der Bäume, »hier gibt es kein Gebieten. Kein Zurückholen durch die Wand. Keine Wand.«
    Er hatte das Gesicht eines Kriegers, doch wenn er auf die Bäume schaute, wurde es weich und voller Verlangen.
    »So«, sagte er, »jetzt macht er dich zum Vorwand, um uns zusammenzurufen. Aber ich gehe nicht ins Großhaus. Ich will nicht beschworen werden.«
    »Kommt er nicht hierher?«
    »Ich glaube, er wird den Hain nicht betreten. Auch den Knollkogel nicht. Auf dem Knoll ist nämlich alles das, was es ist.«
    Sie verstand nicht, was er damit meinte, aber sie fragte nicht weiter danach. Besorgt meinte sie: »Ihr sagt, er macht mich zum Vorwand, um Euch zusammenzurufen.«
    »Ja. Um eine Frau fortzuschicken, sind neun Magier vonnöten.« Er lächelte sehr selten, und wenn er es tat, nur flüchtig und scheu. »Wir müssen uns treffen, um die Regel von Rok aufrechtzuerhalten. Und einen Erzmagier zu wählen.«
    »Wenn ich fortginge...« Sie sah, wie er den Kopf schüttelte. »Ich könnte zum Namengeber gehen...«
    »Hier bist du sicherer.«
    Die Vorstellung, Schaden anzurichten, beunruhigte sie, aber auf den Gedanken, dass sie in Gefahr sein könnte, war sie noch nicht gekommen. Sie vermochte es sich nicht vorstellen. »Ich komme zurecht«, sagte sie. »Also der Namengeber und Ihr und der Pförtner...?«
    »...wollen nicht, dass Thorion Erzmagier wird. Auch der Kräuterkundler, obgleich er wenig versteht und selten redet.« Er bemerkte, dass Irian ihn verwundert anstarrte. »Thorion, der Gebieter, spricht seinen wahren Namen aus«, sagt er. »Er ist gestorben, hm?«
    Sie wusste, dass König Lebannen seinen wahren Namen offen verwendete. Er war auch aus dem Tod wiedergekehrt. Aber dass der Gebieter das Gleiche tat, schockierte und störte sie, wenn sie es bedachte.
    »Und die... Schüler?«
    »Auch gespalten.«
    Sie dachte an die Schule, wo sie nur so kurz gewesen war. Von hier aus betrachtet, unter dem

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