Das Vermächtnis von Thrandor - Das Schwert aus dem Feuer
große Qualen herauskommen.«
»Also willst du nicht dein Bestes geben? Wenn du dich nicht anstrengst, kannst du auch keine Fortschritte machen, oder?«, fragte Calvyn, immer noch flüsternd.
»Stimmt. Aber warum soll ich mich bei etwas verausgaben,
das ich schon kann? Soweit ich weiß, bin ich hier, um Soldat zu werden, und kein Läufer. Rennen kann ich schon, aber ich habe noch keine Ahnung, was es heißt, ein Kämpfer zu sein. Um das zu lernen, bin ich hergekommen.«
»Da bin ich anderer Ansicht«, entgegnete Calvyn. »Mir wurde beigebracht, stets mein Bestes zu geben. Einige Dinge kann ich nicht besonders gut, aber das liegt bestimmt nicht daran, dass ich es nicht versucht hätte.« Dann grinste er Jenna plötzlich an. »Also schau dich beim nächsten Rennen lieber mal ab und zu um: Ich will Revanche!«
Beide lachten.
»Trupp zwei! Antreten!«, schrie Derra aus etwa zwanzig Metern Entfernung. »Na los, marsch, marsch!«
Trupp zwei beeilte sich zu gehorchen und stellte sich rasch in zwei Reihen auf.
»Rekruten! Ich muss euch wohl nicht eigens mitteilen, dass wir aufgrund der eben gezeigten Leistung in den nächsten Wochen sehr viel trainieren werden. Aber um euch zu zeigen, dass ich so gemein nun auch wieder nicht bin: Die Rekruten, die bei unserem Rennen als Erster, Zweiter und Dritter eingelaufen sind, können wegtreten! Gut gemacht. Ihr könnt euch erholen, aber der Rest braucht offensichtlich noch Übung und rennt auf mein Kommando noch einmal dieselbe Runde. Fertig, los!«
Unter allgemeinem Stöhnen setzte sich Trupp zwei ohne die drei selbstzufriedenen Sieger des ersten Rennens erneut in Bewegung und rannte auf den Wald zu. Das Starttempo war merklich langsamer als beim ersten Mal, und Calvyn merkte, dass sein natürlicher Laufrhythmus ihn schnell unter die vordersten Läufer rückte. Die in Führung gehende Gruppe war größer als beim ersten Rennen. Insgesamt zehn Rekruten, darunter Jenna, Bek und Calvyn, ließen recht schnell sieben Nachzügler hinter sich.
Während des Laufs begannen Calvyns Gedanken erneut zu kreisen. Dieses Mal beschloss er jedoch, sie in eine sinnvolle Richtung zu lenken, und versuchte sich an der letzten Konzentrationsübung, die Perdimonn ihm beigebracht hatte. Das schwarze Rechteck auf weißen Grund mit offenen Augen und dazu noch im Laufen vor sich zu sehen, war gar nicht so einfach, aber zu seiner Überraschung konnte er das Motiv greifen, noch bevor er den Wald erreichte. Er hielt das Bild fest und begann, das schwarze Rechteck langsam über die Mittelachse in eine Drehbewegung zu versetzen, die allmählich schneller wurde.
Als er abbog und dann hinter dem Wald entlang weiterrannte, lief Calvyn zuvorderst mit, und neben ihm Jenna. Da er mental ganz damit beschäftigt war, das Rechteck immer rascher rotieren zu lassen, rannte er unbewusst schneller. Als er leicht stolperte, weil er so stark in die Gedankenübung vertieft war und gar nicht mehr darauf achtete, wo er lief, ging ihm das Bild plötzlich verloren.
Ein schneller Blick auf die anderen Läufer zeigte, dass die vorderste Gruppe sich nun auf sieben Rekruten reduziert hatte. Zwei von ihnen konnten das Tempo aber offensichtlich kaum noch halten. Calvyn fühlte sich gut. Er atmete heftig, aber kontrolliert. Die geistige Leistung, die notwendig gewesen war, um sich das Bild vom drehenden Rechteck vorzustellen, hatte sein Bewusstsein von der physischen Anstrengung des Rennens abgelenkt. Sein Körper regelte die Atmung im optimalen Takt für die Tortur, die er ihm auferlegte.
Calvyn konzentrierte sich und ließ das Bild noch einmal entstehen.
Immer rascher drehte sich das schwarze Rechteck, bis die Ecken verschwammen und es eher wie ein achteckiger Stern aussah. Calvyn war erneut vollkommen vertieft in
die Übung, als Jenna vor ihm beschleunigte und auf ihrem Endspurt in das Bild rannte. Calvyn fiel mit einem Schlag zurück in die Realität, biss die Zähne zusammen und zwang seine Beine, schneller zu laufen und sich an Jennas schlanke Gestalt zu heften, die ihn immer weiter zurückließ.
Dann überholte ihn ein weiterer Läufer, und noch einer, und Calvyn musste hart ringen, um den Schlussspurt zu halten. Der unterbewusste Rhythmus war dahin, das Rennen ging in die entscheidende Phase, und Calvyns Atemrhythmus fiel zurück in das angestrengte Keuchen des ersten Laufs. Doch als er auf den vierten Rang zurückgedrängt wurde, stieg wilde Entschlossenheit in ihm auf und versetzte ihm einen Adrenalinstoß. Calvyn
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