Das Vermächtnis von Thrandor - Das Schwert aus dem Feuer
anzutreiben und sie in einem hämmernden Takt nacheinander nach vorn zu reißen.
Plötzlich endete der Wald und der Westwall der Burg grüßte ihn über das offene Feld hinweg. Calvyn vernahm undeutlich Stimmen. Sie bedachten die Läufer vom südwestlichen Wachturm aus mit ermunternden, aber auch verspottenden Rufen. Wen diese Rufe unterstützen und wen sie verlachten, war Calvyn herzlich egal, denn er kämpfte nur darum weiterzurennen.
Obwohl ihm alles wehtat und er sich auf nur ein Ziel
konzentrierte, merkte Calvyn überrascht, wie sich ein Teil seines Verstands in einem ungewöhnlich klaren Tagtraum bewegte. Seine Gedanken kreisten um die Menschen, die er seit seiner Ankunft in der Burg Keevan kennengelernt hatte. Zuerst war da der Soldat Jez gewesen, der Calvyns Ängste und Sorgen durch seinen offenherzigen und fröhlichen Empfang besänftigt hatte. Und dann der handfeste Sergeant Dren, der sich bemüht hatte, ihm bei seinem Problem mit den Pferden zu helfen. Beide hatten sich auf ihre Weise freundschaftlich verhalten. Gehörte das auch zum Leben beim Militär oder war es eine Ausnahme? Wahrscheinlich war es ein wenig zu früh für grobe Verallgemeinerungen, entschied Calvyn. Für jetzt blieb ihm nur, alles genau zu beobachten, und irgendwann würde das unterschiedliche Gebaren der Menschen schon einen Sinn ergeben.
Brett und Derra gehörten zu einer ganz anderen Kategorie. Hart, reserviert und professionell, wie sie waren, konnten sie es sich genauso wenig wie Korporal Beren und Korporal Gan erlauben, die Rekruten zu Beginn der Ausbildung freundschaftlich zu behandeln. Nein, sie würden noch eine ganze Weile so distanziert bleiben, schloss Calvyn. Wenn er sich das immer wieder vor Augen führte, würde er die kommenden Wochen vielleicht besser ertragen. Der Sergeant und besonders Korporalin Derra würden die Rekruten weiter ihre Autorität spüren lassen, und das mit gnadenloser, eisenharter Hand.
Was die anderen Rekruten betraf, so fing Calvyn gerade erst an, einzelne Charakterzüge zu erkennen. Der zynische und spöttische Tyrrak jedoch wirkte auf Calvyn nicht wie jemand, den er eines Tages als guten Freund in die Arme schließen würde. Die überhebliche Arroganz, die dieser Mann an den Tag legte, ging Calvyn gehörig auf die Nerven,
aber nach ein paar Wochen Grundausbildung war Tyrrak womöglich weichgeklopft, dachte Calvyn, während er den Südwall entlang weiterrannte.
Bek dagegen schien offen für Angebote der Freundschaft und war bescheiden genug, Hilfe mit einer rührenden Herzlichkeit und Dankbarkeit entgegenzunehmen. Calvyn war überzeugt, dass er in ihm einen Verbündeten und Freund gewonnen hatte, und er freute sich schon darauf, diese Freundschaft in den kommenden Tagen festigen zu können.
Die einzige Person, mit der er außerdem Bekanntschaft geschlossen hatte, war Jenna, aber es war im Grunde nicht mehr als ein begrüßendes »Hallo« gewesen. Trotzdem stellte Calvyn überrascht fest, dass der Moment ihrer ersten Begegnung ihm noch lebhaft vor Augen stand. Er spürte noch ihren Händedruck und sah das freundliche Glitzern in ihren sanften braunen Augen. Calvyn rief sich ihre schlanke, für ein Mädchen recht hochgewachsene Gestalt ins Gedächtnis, und ihr glattes braunes Haar, das zu einem Zopf geflochten war, der bis zur Mitte ihres Rückens reichte. Er sah vor sich, wie sie mit einer natürlichen Anmut durch die Mannschaftsunterkünfte schritt. Jenna war attraktiv, aber sicherlich nicht das hübscheste Mädchen, dem er je begegnet war. Es gab allein in seiner Ausbildungseinheit mehrere andere Mädchen, die schöner und wohlgeformter waren. Doch Calvyn spürte eine gewisse Seelenverwandtschaft mit der stillen jungen Frau, und er nahm sich vor, zumindest zu versuchen, sie näher kennenzulernen.
Als er am südöstlichen Wachturm um die Ecke bog, konnte er langsam, aber sicher, einen seiner Kameraden einholen, der aus der vorderen Reihe zurückfiel. Er war versucht, wieder schneller zu rennen, aber sein Körper wollte nicht reagieren und sein Kopf riet ihm, seine Kräfte für den
Endspurt entlang des Nordwalls aufzusparen. Also lief er beharrlich weiter und holte den Rekruten schließlich nach ungefähr zwei Dritteln der Ostmauer ein. Als sich Calvyn auf einer Höhe mit ihm befand, beschleunigte der junge Mann, und die beiden rannten nebeneinanderher, bis sie an die Ecke gelangten, nach der die Zielgerade entlang der Nordmauer bis zum Haupttor begann.
Calvyns Kontrahent legte einen
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