Das Vermächtnis von Thrandor - Der Auserwählte
mehreren Sehern, Orakeln und Propheten angekündigt. Am bekanntesten ist wohl Drehboor, dessen Vorhersagen sich im Laufe der Jahre und Jahrhunderte überwiegend als richtig erwiesen haben. Er beschrieb einen Mann, der sich auf Messers Schneide bewegt, einen, der vor einer Wahl steht, die das Schicksal der Welt entscheiden wird. Seit dem Krieg der Götter ist Selkor der Einzige, der über mehr als einen Schlüssel verfügt – tatsächlich fehlt ihm nur noch einer, um der Auserwählte zu werden. Trotz der Niederlage, die wir ihm heute beigebracht haben, glaube ich nicht, dass er dieses Ziel aufgeben wird.«
»Da bin ich mir nicht so sicher, Perdimonn«, widersprach Rikath mit besorgter Miene. »Als er heute davonritt, schien es mir tatsächlich, als beabsichtige er, nicht zurückzukehren. Allerdings war mir, als hätte er ein neues Ziel ins Visier genommen. Doch ich habe keine Ahnung, was das sein könnte.«
»Nun, ich hoffe, du hast recht. Wenn ich mir jemanden aussuchen sollte, der das Schicksal der Welt bestimmt, wäre Selkor sicher nicht meine erste Wahl. Nehmen wir einmal an, dass er den letzten Schlüssel noch immer an sich reißen
will und sein Rückzug nur vorübergehend war. Dann müssen wir uns überlegen, wie wir ihn daran hindern können.«
Er verstummte und einen Augenblick war es mucksmäuschenstill in dem Raum. Alle starrten gedankenversunken vor sich hin. Schließlich durchbrach Akhdar die Stille. Er sprach mit einer Würde, die alle im Raum gefangen nahm.
»Bruder Perdimonn, die anderen Ratsmitglieder und ich, wir sind dir, so schnell es ging, zu Hilfe geeilt. Zugegeben, wir verfügen vielleicht nicht mehr über die magischen Kräfte, die wir einst besaßen, und wir haben auch nur noch einen einzigen magischen Gegenstand in unserem Besitz, der diese Kräfte zu steigern vermag. Doch wir werden dich mit aller Macht beschützen, die uns zur Verfügung steht.«
Perdimonn lächelte ihn dankbar an und beugte leicht den Kopf. »Was die magischen Gegenstände angeht, Bruder Akhdar, kann ich dir diese beiden hier zurückgeben. Ich habe sie Selkor heute abgenommen. Er wird sie bestimmt schmerzlich vermissen. Das ist einer der Gründe, warum ich vermute, dass er zurückkommen wird. Es ist ihm heute nicht nur misslungen, den letzten Schlüssel in seinen Besitz zu bringen, sondern er hat auch den Ring des Nadus und den Mantel des Merridom eingebüßt.« Perdimonn holte den Mantel unter dem Tisch hervor und zog sich den Ring vom Finger. Feierlich überreichte er beides Akhdar.
Der Großmagier war sprachlos. Er nahm Ring und Mantel entgegen und brachte nur ein verblüfftes »Wie?« heraus.
»Das erzähle ich dir bei anderer Gelegenheit, Akhdar. Es war kein ungefährliches Unterfangen, aber alles, was wir noch vor uns haben, birgt Gefahren. Wir spielen mit dem Schicksal der Welt und sind darauf angewiesen, dass das Glück auf unserer Seite ist. Wagt denn jemand eine Vorhersage, was Selkor als Nächstes tun wird?«
Zu Calvyns Überraschung meldete sich Baron Anton zu Wort.
»An Selkors Stelle würde ich herauszufinden versuchen, was heute schiefgegangen ist, eine Lösung für das Problem finden und dann vernichtend zurückschlagen«, erklärte er nachdenklich. »Aber das sage ich natürlich aus der Sicht eines Heerführers.«
»Das ist jedenfalls eine mögliche Variante«, erwiderte Perdimonn. »Ich sehe das ähnlich.«
»Sollen wir dann nicht besser wieder Wache halten?«, fragte Arred, und es hörte sich fast an, als freue er sich darauf.
»Zuerst sollten wir entscheiden, ob wir hierbleiben, woanders Unterschlupf suchen oder Selkor folgen, Arred«, entgegnete Perdimonn. »Ich bin mir natürlich bewusst, dass wir als Gäste hier nicht besonders gern gesehen sind, Eure Majestät. Wir brechen Eure Gesetze und bringen Eurem Reich nichts als Scherereien, die Ihr nach allem, was Ihr bereits erlebt habt, ganz und gar nicht brauchen könnt. Was haltet Ihr von der Sache?«
König Malo blickte nachdenklich in die Runde und seufzte. »In einem habt Ihr recht, Perdimonn. Wir haben in Thrandor unruhige Zeiten hinter uns, die in unserer Geschichte wohl Ihresgleichen suchen. Ich will die schlimme Zeit, die mein Volk durchmachen musste, durchaus nicht verlängern, aber ich muss mich der Verantwortung gegenüber der Zukunft meines Reiches stellen. Ihr sagt, das Schicksal der Welt liegt möglicherweise in Selkors Hand. Einen so mächtigen Mann muss ich ernst nehmen. Ich habe in der Vergangenheit manche Gefahr
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