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Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin

Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin

Titel: Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Robson
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für klüger, den Langbogen wegzuräumen. Sie erwog kurz, ihn in die Waffenkammer zu bringen, verwarf diese Idee aber, weil sie dort mit Sicherheit auf Soldaten vom Übungsplatz stoßen würde. Ihr blieb daher nur der Spind übrig. Jenna ging rasch in die leere Mannschaftsunterkunft, schloss die Tür hinter sich und warf sich auf ihr Bett.
    Sie schluchzte hemmungslos und hörte weder, dass sich leise die Tür öffnete und wieder schloss, noch, dass sich Schritte näherten.
    »Was ist denn los, Jenna?«, fragte Calvyn sanft.
    Bei dem unerwarteten Klang seiner Stimme schreckte Jenna zusammen. Beschämt wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht, ehe sie ihn widerstrebend ansah. Von allen Menschen, die sie jetzt sehen wollte, war Calvyn so ziemlich der letzte.
    »Es war nicht zu überhören, wie du beim Waffentraining in die Luft gegangen bist. Das sieht dir gar nicht ähnlich. Du warst nicht im Speisesaal, und da habe ich mir schon gedacht,
dass ich dich hier finde. Ist alles in Ordnung? Kann ich etwas für dich tun?«
    Natürlich!, schrie ihr Herz verzweifelt. Du könntest mich in die Arme nehmen und mich trösten. Doch ihr Verstand verbot ihr, die Worte auszusprechen, und so schüttelte sie nur stumm den Kopf.
    »Ist alles gut«, brachte sie mit unsicherer Stimme heraus.
    »Aber klar doch«, erwiderte Calvyn und legte ihr die Hand auf die Schulter.
    Jenna zuckte bei seiner Berührung zusammen. Calvyn, der diesen Reflex falsch deutete, war verletzt.
    »Tut mir leid«, sagte er, unfähig, seine Bitterkeit zu verbergen. »Ich wollte ja nur helfen. Du bist der beste Freund, den ich seit meiner Ankunft auf Burg Keevan habe, und du hast mir immer geholfen, wenn ich in der Patsche saß. Ich habe dich noch nie so gesehen wie vorhin und dachte, ich könnte auch einmal etwas für dich tun. Aber wenn du mich nicht brauchen kannst, dann sag es einfach, dann kann ich ja gehen …«
    »Dann geh doch! Die schwarzhaarige Rekrutin, um die du dich so rührend gekümmert hast, wartet bestimmt schon sehnsüchtig auf dich. Verdammt noch mal, es ist ja alles so was von hoffnungslos«, sagte sie, wütend, weil er sie als »Freund« bezeichnet hatte.
    »Was denn? Willst du den anderen denn nichts beibringen?«, fragte Calvyn, der den Grund für ihre Unzufriedenheit nicht verstand. »Zufällig habe ich den ganzen Vormittag mit den Rekruten den Schwertkampf geübt. Und ich habe mich bestimmt nicht mehr mit Eloise beschäftigt als mit den anderen.«
    Jennas Mut sank. Das Mädchen hatte auch noch einen hübschen Namen. Jenna klammerte sich an Calvyns Frage wie an einen Rettungsring.

    »Ja, ich finde es zermürbend, lauter Idioten zu unterrichten! Tamar hat eine Engelsgeduld, aber ich bin nicht dafür gemacht. Sie lernen einfach nicht dazu, und mich bringt es zur Weißglut, dass sie immer wieder dieselben Fehler machen, egal was ich tue oder sage.«
    Calvyn dachte einen Augenblick nach, ehe er antwortete. »Du täuschst dich«, sagt er vorsichtig. »Sie lernen schon etwas. Eure Schüler machen riesige Fortschritte. Aber wenn es dich so unglücklich macht, dann soll das jemand anders übernehmen. Immerhin muss meine Erste Bogenschützin gut in Form sein, wenn wir gegen die Shandeser kämpfen.«
    Jenna zuckte zusammen, als Calvyn den Titel erwähnte, den sie im Abschlussturnier ihrer Ausbildungszeit errungen hatte.
    »Und was ist das für ein Quatsch mit Eloise? Hat sie dir etwas getan?«, fuhr Calvyn fort.
    »Nein, nein. Im Moment braucht die Erste Bogenschützin einfach ein bisschen Zeit, um über ihr Leben nachzudenken«, sagte sie und holte ein Tuch aus dem Spind, um sich die Nase zu putzen. Nachdem sie sich Wangen und Augen trocken gewischt hatte, drehte sie sich zu Calvyn um und sah ihn unbewegt an.
    »Danke, dass du nach mir gesehen hast, Korporal. Ich weiß das zu schätzen. Der Zeitpunkt ist jetzt einfach nicht so günstig. Bitte lass mich jetzt allein.«
    »Ich weiß wirklich nicht, was in dich gefahren ist, Jenna. Wenn du es dir anders überlegst und darüber reden willst, dann komm. Das ist das Mindeste, was ich für einen Freund wie dich tun kann.«
    Jenna war froh, dass Calvyn bei diesen letzten Worten verlegen seine Fußspitzen anstarrte, denn so fiel ihm nicht auf, wie sie bei dem Wort »Freund« erneut zusammenzuckte. Als er sie ansah, hatte sie sich wieder gefangen.

    »Dann gehe ich mal«, sagte Calvyn traurig. »Ich hole mir noch etwas zu essen, bevor die Meute alles verputzt hat.«
    Jenna nickte, drehte ihm den Rücken zu

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