Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin
Korporal Bek, ihr bringt eure Sachen in die Korporalsunterkunft. Eure Plätze in der Mannschaftsunterkunft sind bereits anderweitig vergeben. Korporal Beren zeigt euch eure neuen Schlafplätze. Ich werde ihn anweisen, in zehn Minuten am Eingang der Unteroffiziersunterkünfte auf euch zu warten.«
»Geht klar, Sergeantin. Ich bin schon unterwegs.«
Calvyn hatte auf dem Marsch nach Norden ausgiebig über seinen neuen Rang nachgedacht, doch weil seine Beförderung noch nicht endgültig war, wusste er nicht, ob er in die Unterkunft der Korporale umziehen würde. Vielleicht bedeutete das nun, dass Bek und ihm der neue Dienstgrad sicher war, überlegte er. Jedenfalls war es ein gutes Zeichen.
Jenna sah ihm traurig zu, wie er seine wenigen Habseligkeiten aus dem Spind holte. Calvyn unterdrückte nur mit Mühe den Drang, sie in den Arm zu nehmen. Er bemerkte die Tränen in ihren Augen und rang verzweifelt nach tröstenden Worten, brachte aber keinen Ton heraus. Hätte Jenna das Schweigen nicht gebrochen, so hätte er sich wohl mit klopfendem Herzen und schlechtem Gewissen aus dem Staub gemacht.
»Ich werde dich vermissen, Calvyn«, sagte sie sanft, als er gehen wollte.
»Ich bin ja nicht aus der Welt«, erwiderte er mit einem warmen Lächeln. »Wir sehen uns jeden Tag.«
»Ich weiß. Es wird nur nicht dasselbe sein, das ist alles.«
Eine Träne kullerte ihr über die Wange. Jenna wischte sich ungeduldig übers Gesicht und zwinkerte die nächsten Tränen weg.
»Nichts bleibt, wie es ist, Jenna. Aber mit meiner Beförderung ist unsere Freundschaft nicht zu Ende, das verspreche ich dir«, sagte Calvyn. »Natürlich kann ich dich nicht anders behandeln als die anderen im Trupp, aber wenn wir keinen Dienst haben, können wir immer noch etwas zusammen unternehmen, oder?«
»Ja, natürlich«, beeilte sich Jenna zu antworten, noch immer um Fassung ringend.
»Gut. Ich freue mich schon darauf, einfach nur Calvyn zu sein.«
Calvyn legte Jenna die Hand auf die Schulter, wandte sich ab und verließ die Mannschaftsunterkunft.
Demarr, der die Unterhaltung verfolgt hatte, ging zu dem leeren Spind und schüttelte fast unmerklich den Kopf. »Er hat es immer noch nicht begriffen«, sagte er, Jenna den Rücken zugewandt, während er seine sauber zusammengelegten Kleider verstaute. Es waren nur noch zwei weitere Soldaten im Raum, die damit beschäftigt waren, ihre Stiefel, Waffen, Ledergürtel und Schwertscheiden zu putzen. Demarrs Worte mussten ihr gegolten haben.
»Was hat er nicht begriffen?«, fragte sie nach kurzem Zögern.
»Dass du ihn liebst, natürlich«, sagte Demarr, drehte sich zu ihr um und bedachte sie mit einem belustigten Lächeln.
Jenna lief dunkelrot an.
»Sieht so aus, als müsstest du etwas deutlicher werden. Was Frauen angeht, ist er wohl ziemlich unbedarft.«
»Wohingegen du dich mit Frauen bestens auskennst?«, sagte Jenna schnippisch. Ihre Wangen glühten noch immer.
»Oh nein«, sagte Demarr und lachte. »Das wohl kaum. Aber immerhin begreife ich, worum es gerade ging. Du wirst den ersten Schritt machen müssen. Der gute Korporal hat keinen blassen Schimmer, vertrau mir.«
»Dir vertrauen!«, sagte Jenna mit schneidender Stimme.
»War gut gemeint«, sagte Demarr und reichte ihr versöhnlich die Hand.
»Kümmerte dich in Zukunft um deine Angelegenheiten, Demarr. Ich habe dich nicht um Hilfe gebeten. Ist das klar?«
»Glasklar«, sagte Demarr ruhig, schloss den Spind und verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzusehen.
Eine nachdenkliche Jenna blickte ihm hinterher.
4
Am nächsten Morgen ließen die Sergeanten Derra und Dren sämtliche Trupps auf dem Übungsplatz antreten. Nachdem der Appell mit dem Befehl »Regt euch!« beendet war, richtete Hauptmann Strexis das Wort an seine Leute.
»Was wir heute tun, verstößt gegen jede Tradition, doch die derzeitige Lage erfordert drastische Maßnahmen. Der Baron will aufgrund der hohen Verluste des letzten Monats die Rekruten auf die Trupps verteilen, damit mehr Leute kampfbereit sind. Ich gebe zu, das wird weder für euch
noch für die Rekruten einfach. Ihr müsst Soldaten ohne abgeschlossene Ausbildung mit in die Schlacht nehmen und die Rekruten müssen unvorbereitet in den Kampf ziehen. Ich erwarte von euch allen, dass ihr aus dieser misslichen Lage das Beste macht. Gefreite, helft den Rekruten, wann immer es nötig ist. Wenn uns zu Ohren kommt, dass einer von euch auf den Rekruten herumhackt, werden wir hart durchgreifen, merkt euch das. Die
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