Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin
nach vorne aus, setzte zu einem Hechtsprung an, ging mit der Wendigkeit einer Turnerin in einen Purzelbaum über, kam wieder auf die Beine und rannte weiter, ohne merklich an Geschwindigkeit verloren zu haben.
Als Jenna die Baumlinie erreichte, hatte sie einen kleinen Vorsprung gewonnen, den sie nutzen wollte. Sie benutzte den Stamm eines jungen Baums, um zu ihren Gegnern herumzuwirbeln. Es waren drei und sie alle waren ihr dicht auf den Fersen.
Schwer atmend legte Jenna einen Pfeil ein, spannte und schoss. Der angepeilte Echsenmann sah den Pfeil kommen und konnte sich noch zur Seite drehen, sodass er nur am Arm getroffen wurde. Bei dem Manöver verlor er jedoch
das Gleichgewicht, ging zu Boden und kugelte einige Meter den Hang hinab.
Der zweite Pfeil, nur wenige Sekunden nach dem ersten abgeschossen, traf einen grauenvoll aussehenden Kobold mitten in der Brust. Der Aufprall riss die Kreatur zu Boden, wo sie reglos liegen blieb.
Jenna hatte keine Zeit, einen dritten Pfeil abzuschießen, da der letzte Verfolger schon fast bei ihr war, ein Werwolf mit einer langen Schnauze, spitzen Fangzähnen und Fell im Gesicht und an den Händen. Es war größer als die hochgewachsene Jenna und stürzte sich mit der ganzen Wucht, die er auf seiner Verfolgungsjagd bergab gewonnen hatte, auf sie, in einer Hand einen breiten Krummsäbel schwingend.
Instinkt und Ausbildung halfen Jenna, die Ruhe zu bewahren und dem Angriff auszuweichen. Als der Werwolf noch im Sprung war, warf Jenna mit der Linken den Bogen weg, zog mit der Rechten den Dolch und stieß ihn dem Untier tief in den Bauch. Beim Fall des tödlich verwundeten Gegners wurde ihr jedoch der Dolch aus der Hand gerissen, und so stand sie unversehens dem Echsenmann, den sie nur leicht verwundet hatte, unbewaffnet gegenüber.
Jenna hatte keine Zeit, einen Plan zu schmieden. Hier hieß es, töten oder getötet werden. Jenna schüttelte den Rucksack von den Schultern, rannte auf den Gegner zu und schmetterte ihm mit einem Sprungtritt den Absatz ins schuppenbesetzte Gesicht. Der Kopf wurde zur Seite geschleudert, und der Echsenmann brüllte vor Schmerz, ging aber nicht zu Boden – anders als Jenna, die das Gleichgewicht verlor und hinfiel.
Auch Jennas Gegner war unbewaffnet, denn er hatte, als sie ihn mit dem Pfeil traf, seine Waffe verloren. Jetzt stürzte er sich blitzschnell auf sie. Jenna wich ihm aus, indem sie sich zusammenrollte, erhielt dafür aber einen schmerzhaften
Schlag auf die Schulter. Ehe der Echsenmann noch einmal nachsetzen konnte, versetzte ihm Jenna einen kräftigen Kinnhaken. Dann floh sie flugs aus seiner Reichweite.
»Schschnell … ganzz schschön schschnell! Dasss wird noch interresssant!«, zischelte es aus dem lippenlosen Mund der schrecklichen Kreatur.
Jenna hielt sich nicht mit einer Antwort auf, sondern griff so schnell an, dass Arme und Beine zu verschwimmen schienen. Manche Schläge fanden ihr Ziel, die meisten aber wurden abgeblockt, und bald war sie ihrerseits gezwungen, sich zu verteidigen. Die Gegenangriffe kamen ebenso schnell wie die ihren, nur dass die Tritte und Schläge heftiger waren. Jenna wurde links unter dem Schulterblatt getroffen, in den Rippen knackte es und sie spürte einen stechenden Schmerz. Ein zweiter Schlag an die Schläfe zwang sie, sich mit einer Sprungrolle Abstand zu ihrem Gegner zu verschaffen.
Jenna biss vor Schmerz die Zähne zusammen und duckte sich vor dem nächsten Hieb. Der ließ nicht lange auf sich warten, und der nun folgende Schlagabtausch endete damit, dass der Echsenmann Jenna erneut einen Hieb versetzte, der ihr die Füße unter dem Leib wegriss. Wie gelähmt blieb sie auf der noch unverletzten Seite liegen.
Mit einem merkwürdigen Zischen, das in Jennas Ohren wie ein Lachen klang, setzte der Echsenmann zum tödlichen Schlag an. Jenna aber hatte etwas anderes vor. Sie rollte sich zu der Kreatur hin und trat mit aller Kraft, die sie noch aufbringen konnte, den Fuß nach oben, dem Echsenmann in den ungepanzerten Unterleib. Der Tritt war gut gezielt und hatte die gewünschte Wirkung. Ein lang gedehntes, zischendes Stöhnen drang aus der Kehle der Kreatur, die sich vor Pein krümmte. Mit einer Wucht, die auch Jenna überraschte, setzte sie noch einen Tritt gegen die Kehle nach.
Der erwies sich als tödlich, denn er zertrümmerte die Luftröhre des Echsenmannes und raubte ihm den Atem. Jenna war allerdings nicht nach Feiern zumute. Die gebrochenen Rippen machten ihr das Atmen schwer, und sie spürte, wie
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