Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin
Brüllen von sich, das die riesige Höhle zu sprengen schien. So hemmungslos war der Zorn, den der Dämon herausbrüllte, dass Calvyns Blick unwillkürlich zu ihm hinwanderte. Er sah dem Dämon ins Gesicht.
In den Augen glühte orangerot das Böse – das Böse und ein ungestümer, grimmiger Hunger, der mit einer Heftigkeit kochte und wütete, die menschliches Empfinden bei Weitem überstieg.
Calvyn versuchte, sich von den hypnotisch leuchtenden Augen des Dämons loszureißen, doch da war es schon zu spät. Sie waren wie Türen in eine andere Welt, eine brennende, brutale Welt der Glut und der Gier, der Bosheit und der Pein.
Calvyn saß in der Falle, gefesselt von Torvados’ Zauber und im geistigen Widerstreit mit einem mächtigen Dämon. Es war eine Schlacht, die er niemals gewinnen konnte.
Der Gorvath kam näher, einen Schritt, dann noch einen. Er brüllte zornig, da die Zauberlords ihn mit ihrem vereinten Willen daran hinderten, sich frei zu bewegen. Doch auch in seiner Raserei entließ der Dämon sein Opfer nicht aus seinem Blick.
Der Dämon rückte Calvyn immer näher zu Leibe. Den zischenden Schild aus glühender magischer Kraft schien er überhaupt nicht zu bemerken. Als der Dämon seine großen
Krallen nach ihm ausstreckte, durchdrangen sie zu Calvyns Bestürzung die Sperre, als sei sie gar nicht da.
Calvyn spürte, dass Torvados seinen Lähmzauber lockerte, doch das spielte nun keine Rolle mehr. In dem Moment, in dem die Krallen ihn berührten, war er verloren. Seine Erinnerungen verschwanden wirbelnd und strudelnd im geöffneten Rachen des gewaltigen grauen Gorvaths.
Vallaine gestattete sich ein feines Lächeln. Die erste Phase seines Plans war aufgegangen. Dieses Monster in Schach zu halten, da hatte der alte Hexenmeister recht gehabt, wäre für einen Einzelnen unmöglich gewesen. Doch da sie zu elft waren und Barrathos ihre vereinte Kraft lenkte, war die Aufgabe nicht so schwierig, wie er es sich vorgestellt hatte. Mit geballter Willenskraft zwangen die Zauberer den Gorvath, von Calvyn abzulassen. Der Dämon kreischte und tobte, weil er sein Opfer nicht töten durfte.
Barrathos setzte wieder mit dem kehligen Singsang ein, während die Lords sich bereitmachten, den Dämon in seine Welt zurückzubefördern.
Da geschah es.
Torvados, der Calvyn der Macht des Dämons ausgeliefert hatte und ohne Aufgabe war, wollte die anderen Zauberer mit seiner Willenskraft unterstützen. Doch damit störte er das Gleichgewicht und sie verloren den Bruchteil einer Sekunde die Macht über den Gorvath. Einer der Lords blickte verwundert auf, das Monster warf den Kopf herum und die Blicke der beiden trafen sich.
»Reth! Nein!«, keuchte Vallaine, der über ihre geistige Verbindung das Entsetzen des Mannes spürte.
Ehe jemand etwas dagegen tun konnte, tat Reth, vom Gorvath geführt, einen Schritt nach vorn. In dem Moment, in dem er über die Kreislinie trat, leuchtete ein Blitz auf und Barrathos’ Singsang kam stockend zum Erliegen.
Wieder durchschnitt Gebrüll die Stille, doch diesmal klang es triumphierend. Die vereinte Willenskraft der Lords des Inneren Auges bröckelte, und der Gorvath, von der knebelnden Macht befreit, stürzte sich auf Reth. Eine Sekunde später war der Lord tot und die Krallen des Monsters bohrten sich tief in seinen Körper.
Furcht durchströmte den Raum. Furcht und Panik.
Nur Vallaine bewahrte eine kühlen Kopf. Während die anderen Lords vor der grauenhaften Kreatur davonstoben, rief er: »Bleibt da, ihr Narren! Bannt ihn mit Eurer Willenskraft oder wir sind alle verloren.«
Als Nächster starb Torvados und auch er wurde von den Krallen zerfetzt. Der Gorvath tötete nicht etwa aus Hunger, sondern aus rasender Wut.
»Vereint Euren Geist. Jetzt!«, befahl Vallaine mit einem Anflug von Verzweiflung in der Stimme.
Einer nach dem anderen steuerte seine Kraft bei, um den Gorvath wieder unter Kontrolle zu bringen. Der Dämon spürte, dass sich eine wachsende Macht gegen ihn erhob und er in Gefahr war, erneut in die Gewalt der Männer zu geraten.
Brüllend stürmte er zu der schweren Holztür, dem einzigen Ausgang aus der Höhle. Er warf sich mit ungebremster Wucht gegen die Türflügel, brach durch das Holz und jagte mit einem Tempo die Treppen hinauf, das seine enorme Körpermasse Lügen strafte.
Lord Vallaine seufzte erleichtert auf. Die überlebenden Lords des Inneren Auges kamen zögernd aus den Winkeln der Höhle hervor, in die sie sich geflüchtet hatten. An der Stelle, an der er
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