Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verräterische Tonband

Das verräterische Tonband

Titel: Das verräterische Tonband Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
Ihrem Haar liegt«, sagte ich poetisch. »Wie
Rotkäppchen mit dem goldenen Haar, das auf den Wolf wartet.«
    »Gelegentlich sind Sie
ausgesprochen widerwärtig, Mr. Holman «, sagte sie
finster. »Und im übrigen haben Sie alles
durcheinandergebracht. Es war der Wolf, der als Großmutter verkleidet auf
Rotkäppchen gewartet hat .«
    »Ich glaube, meine Version ist
im Augenblick zutreffender«, sagte ich freundlich.
    Sie errötete und beschäftigte
sich dann mit einem scharfgespitzten Bleistift, mit dem sie Löcher in einen auf
dem Schreibtisch liegenden Stenogrammblock bohrte. »Ich möchte nicht unhöflich
sein, Mr. Holman «, begann sie erneut, »aber ich bin heute vormittag wirklich beschäftigt. Würden Sie mich also
bitte in Ruhe arbeiten lassen und sich um Ihre Geschäfte kümmern ?«
    »Ich überlasse Sie mit
Vergnügen Ihrer Arbeit, und ich gehe im Augenblick meinen Geschäften nach«,
sagte ich.
    »Sie sind unmöglich !« Ihr Gesicht flammte, aber diesmal in echtem Zorn. »Sie
sind der unhöflichste, ungehobeltste Mensch, den ich
je...«
    »Haben Sie je das Satzspiel
gespielt ?« fragte ich beiläufig.
    Sie war einen Augenblick lang
verblüfft. »Wie?« Ihre vergrößerten Pupillen schossen hin und her.
    »Ich will es Ihnen erklären«,
sagte ich großzügig. »Eine Person sagt die erste Hälfte eines Satzes — und der
Partner muß ihn vollenden, so daß das Ganze einen Sinn ergibt. Das ist manchmal
sehr komisch .«
    »Es klingt so...« Sie schloß
die Augen. »Hören Sie zu — ich habe weder die Zeit noch die Neigung, idiotische
Spiele mit einem Idioten wie Sie zu spielen und...«
    »Das ist unfair !« warf ich ein. »Sie begannen bereits mit dem Spiel, als
ich hereinkam! Sie sagten: >Hallo! Ich habe nicht erwartet< — und das ist
ein Satzanfang. Begreifen Sie ?«
    »Nein!« Ihre Augen waren
plötzlich auf der Hut. »Aber vermutlich kann ich Sie jetzt doch nicht mehr
aufhalten .«
    »Ich muß das Ende des Satzes
finden — ihn beenden, so daß er einen Sinn bekommt«, fuhr ich nachdenklich
fort. »Wie wär’s mit: >Hallo! Ich habe nicht erwartet, daß du hier
hereinkommst, durchs Haus !< «
    »Ich verstehe überhaupt nichts .« Sie schüttelte bedächtig den Kopf. »Selbst wenn das Ganze
von vornherein ein idiotisches Spiel ist, so ist das Satzende noch einmal
besonders idiotisch .«
    »Sie haben offensichtlich nicht
mich erwartet«, sagte ich. »Aber wen Sie auch erwartet haben, Sie hatten
jedenfalls nicht damit gerechnet, daß der Betreffende durch diese Tür kommt.
Sie erwarteten, daß er durch die Glastür hinter Ihnen kommt und... Ah, da ist
er ja !«
    Sie fuhr schneller als ein Roulettrad herum, gerade rechtzeitig, um den prachtvollen
Brocken Mannsbild durch die geöffnete Glastür eintreten zu sehen, ein
strahlendes Lächeln auf dem Gesicht.
    »Hallo, mein Prachtstück«,
sagte er mit einer tiefen männlichen Baßstimme , die
dafür gedacht war, weibliche Herzen von Riverside bis Monaco zu rasendem
Klopfen zu veranlassen. »Ich habe sie gehen sehen, und deshalb dachte ich...«
    Offensichtlich verriet ihm ihr
Gesichtsausdruck, daß etwas nicht in Ordnung war. Er hob schließlich seinen
Blick um fünf Zentimeter und sah, was nicht in Ordnung war — mich.
    »Ein weiterer Satzanfang«, sagte
ich vergnügt. »Soll ich versuchen, ob ich diesen auch zu Ende bringe? >-
deshalb dachte ich, ich könnte durch die Glastür kommen, um noch ein bißchen zu
schmusen .< Richtig geraten?«
    »Wer, zum Teufel, ist dieser
Knilch hier ?« fragte der prachtvolle Brocken mit einem
Ausdruck echten männlichen Zorns auf dem Gesicht.
    »Ich bin Rick Holman und bedeute immer Scherereien«, sagte ich. »Sie sind
Harvey Mountfort und sind der unwiderstehliche
Kassenschlager, der nie ganz die Kurve gekratzt hat, nicht wahr ?«
    »Sie kriegen jetzt gleich eins
auf die Nase, wer, zum Teufel, Sie auch sind«, sagte er.
    »Sachte, sachte, Honey«, flehte
Marcia Robbins. »Zweierlei stimmt — er heißt Rick Holman und macht nichts als Scherereien .«
    Mountfort war in der Tat ein
prachtvolles Mannsbild — wenn man diesen Fanzeitschriftentyp mochte. Er war
ungefähr ein Meter neunzig groß und gut gewachsen. Er trug ein blaßblaues Seidenhemd und Gabardinehosen mit tadelloser
Bügelfalte. Sein pechschwarzes Haar bedurfte dringend des Friseurs, und eine
Locke hing wie ein Fragezeichen in seine Stirn. Die Augen waren von einem
aufrichtigen Grau, und die regelmäßigen Züge wurden von einem kampflustig
kantigen Kinn beherrscht.

Weitere Kostenlose Bücher