Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
Heimweg nicht an. Aufgekratzt steuert er eine noch geöffnete Kneipe an. An der Bar bestellt er ein Bier und blättert ihre Notizen durch. Ankas grazile Handschrift schimmert ihm entgegen:
"Was wollen wir vermitteln: Glück.
Was bedeutet Glück?
- Liebe
– Freundschaft
- Gesundheit
– Erfolg”
Das Wort Erfolg wurde von Anka bewusst an das Ende der Liste gesetzt und vermutlich hatte sie recht damit. Manchmal muss man die Menschen von ihrem Glück erst überzeugen. Auf Grund der Vielzahl an unmöglichen und nicht umsetzbaren Visionen in den Köpfen einiger Auftraggeber, zählt Überzeugungskraft zu einer der wichtigsten Eigenschaften in der Branche.
Zufrieden setzt Paul einen Haken hinter den letzten Stichpunkt und blättert weiter. Bei der Vielzahl der bunten Vorschläge legt sich seine Stirn in Falten. Ob sie in ihrer Fantasie über das Ziel hinaus geschossen waren? Immerhin handelt es sich um ein ernsthaftes Projekt und nicht um irgendein Experiment. Es steht viel auf dem Spiel, am meisten für Paul. Zum Glück hat er mit der weißblonden Frohnatur eine echte Freundin und Verbündete gewonnen, schon am nächsten Abend werden sie sich wiedersehen. So sind die Kinder tagsüber versorgt und er kann die Zeit nutzen, um Anka mit seinen neuen Ideen zu überraschen.
Schläfrig lehnt sich Paul in seinem Stuhl zurück. Heute war ein langer und anstrengender Tag und Müdigkeit breitet sich allmählich in seinem Körper aus. Er schließt die Augen.
Ein lautes Geräusch lässt Paul ruckartig hochschrecken. Er braucht einen Moment um zu begreifen, wo er sich befindet, dann streckt er sich. Er muss kurz eingeschlafen sein. Das nervige Fiepen reißt nicht ab und Paul durchsucht seine Taschen nach dem Auslöser. Verwirrt zieht er ein Handy hervor und kratzt sich am Kopf. Wo kam das denn her?
"Neue Planung erfolgreich avisiert" , liest Paul den aktuellen Projektstand und wundert sich. Das ging aber flink, ob Anka etwas mit dem raschen Fortschritt zu tun hat? War sie etwa bei John, um von den neuesten Vorgängen zu berichten?
Bevor Paul weiter nachdenken kann, bemerkt er die Dunkelheit. Es brennen keine Lichter und im Schein der schummrigen Straßenlaterne vor dem Fenster registriert Paul die hochgestellten Stühle. Die Bar ist geschlossen, darin besteht kein Zweifel, man muss ihn beim Abschließen übersehen haben.
Schuldbewusst rafft Paul seine Unterlagen zusammen und verlässt das Gebäude durch ein angelehntes Fenster.
In seinem Hotelzimmer erwartet ihn die nächste Überraschung: ein neues Faxgerät steht auf dem hölzernen Schreibtisch, auch das muss John ohne sein Wissen angeordnet haben. Er hatte bereits bei Pauls Ankunft versprochen, für mehr Büroausstattung zu sorgen. Jetzt muss Paul die Post nicht mehr persönlich abholen. Das ist zwar schade um die Zeit mit Julia, aber weitaus effektiver. Neugierig nimmt Paul das frisch gedruckte Blatt aus dem Fax und überfliegt die wenigen Zeilen. Die Meldung stimmt mit der seines Piepers überein, die Inhaberin wechselt tatsächlich die Richtung und folgt seinen Vorschlägen.
Erstaunt über die Wende, tritt Paul an die Minibar. Allmählich beginnt er zu verstehen und freut sich. Durch die gewandelten Vorgaben bleibt ihm viel Zeit erspart. Die neuen Schwerpunkte passen exakt in das neue Konzept, und seine Überzeugungskünste sind nicht mehr vonnöten. Nun kann die kreative Phase beginnen.
Plötzlich hat Paul eine Idee. "Dann muss der Berg eben zum Propheten kommen", murmelt er, während er voller Eifer den Gebäudeplan ausrollt.
Einige Minuten studiert Paul die einzelnen Stockwerke, dann setzt er rigoros den Rotstift an. Wahrscheinlich überschreitet er mit den Änderungen seine Kompetenz, aber die eben erhaltene Nachricht spornt ihn zu weiteren Überlegungen an. Einige der Klamottenläden werden dem Wandel leider zum Opfer fallen, aber Shopping-Center gibt es zur Genüge auf dieser Welt. Eine neue Hose ruft nur für kurze Zeit Glücksgefühle hervor, da kann man ebenso gut ein Stück Schokolade verdrücken. Die Leute brauchen Vergnügungsorte und -angebote. Weg vom Computer und virtuellen Freundschaften, raus in das reale Leben. Was nützt eine Liebe im Internet, wenn man sich nicht persönlich treffen kann. Weil man a) nicht der gestählte Latin Lover ist, für den man sich ausgibt und b) hinter Süßemaus81 sich ebenso gut eine frühere Englischlehrerin verbergen kann.
Zufrieden knetet Paul seine Finger, während er sein Werk betrachtet.
Dann überfliegt er Ankas
Weitere Kostenlose Bücher