Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
Großes Angebot bedeutet große Versuchung und moralische Integrität muss Paul bei Kims Affäre nicht befürchten.
"Und wie geht es nun weiter?"
Anka unterbricht seine Grübeleien.
"Ich werde heute einen neuen Bericht schreiben und die Umsetzung in Auftrag geben. Dann heißt es abwarten, ob unser Vorhaben auch die gewünschte Wirkung hat."
Die Kindergärtnerin lehnt sich entspannt zurück.
"Das klingt alles wunderbar, sieht so aus, als hätte ich meine Aufgabe erledigt."
Paul will protestieren und holt tief Luft. Immerhin gibt es noch einige Hürden zu überwinden und Ankas Unterstützung bedeutet ihm sehr viel. Ihre bloße Anwesenheit verleiht ihm ein Gefühl von Stärke, als ob er jede Hürde meistern könnte. Doch als Paul ihren versonnenen Gesichtsausdruck bemerkt, stutzt er. Könnte es sein, dass sie den Abschied ernst meinte? Ein seltsames Gefühl steigt in ihm auf und er betrachtet Anka sorgenvoll.
Ich möchte am liebsten im Erdboden versinken. Die schräge Maskerade der Mädels lässt diese jegliches Schamgefühl - sofern es jemals existiert hatte - über Bord werfen, was zur Folge hat, dass die drei sich nun aufführen wie Teenager nach ihrem ersten Bier. Nachdem das Ziel des Abends unschwer an ihren entrückten Gesichtern abzulesen war, habe ich mich bereitwillig zum Fahrer erklärt. Dieser großzügige Vorschlag hätte durchaus seine Vorteile gehabt. Zum einen wäre uns das Taxi und die peinliche Fahrt damit erspart geblieben, zum anderen hätte ich so mit gutem Grund dem Alkohol entsagen können. Mein gestriger Absturz steckt mir noch immer in Tomatenmark und Knochenbein und mir ist nach wie vor etwas schummerig. Doch mein Plan wurde von Elke und ihrem energisch schüttelnden Rotschopf zunichte gemacht. Angeblich hat sie von Experten gehört, dass in meiner Lage nur eines helfe: weiter trinken. Ich habe immer geahnt, dass Elkes Job als Veranstaltungsmanagerin sie irgendwann der Realität entreißen würde. Wahrscheinlich hat die Gute diesen ultimativen Tipp einem Punkrocker auf ihrem letzten Event entlockt. Es wundert mich fast, dass sie nicht in Kordulas Stiefel pinkelte, als diese vorhin über Blasen an den Füßen klagte.
Ich fröstle und nehme mir fest vor, meine Freundin in einer ruhigen Minute auf ihren Lebensstil anzusprechen. Natürlich sehr behutsam, ich habe keine Lust von ein paar Stachelköpfen und ihren Spraydosen Besuch zu bekommen.
Doch vorerst sitzen wir hier, grölen den armen Taxifahrer die Ohren voll und versuchen möglichst viele Autofahrer an roten Ampeln auf uns aufmerksam zu machen. Während Kordula nach einem passenden Radiosender sucht, lackiert sich Peggy auf der Rückbank ihre Fußnägel. Bei jedem "Huuups" aus ihrem Mund, versucht unser Taxifahrer Mehmet, seinen Hals um hundertachtzig Grad zu drehen, ohne Genickschäden davonzutragen. Auch mir erscheint die Fahrt wie eine Ewigkeit und als Kordula schief ein Lied von den Spice Girls anstimmt, bereue ich es, den Wodka aus meinem Kühlschrank abgelehnt zu haben. Meine Einstellung zu Alkohol hat sich in den letzten Minuten gravierend geändert. Natürlich besteht bei weiterem Konsum die Gefahr, dass ich mich übergeben muss, aber ohne dieses Wundermittel werde ich es mit Sicherheit tun.
Kaum haben wir das Gelände erreicht, bin ich von der Menschenmasse überwältigt. Ich habe noch nie so viele Idioten auf einem Haufen gesehen. Wenn ich bisher der Meinung war, dass meine Mädels peinlich und verrückt seien, muss ich mein Urteil nun revidieren. Wäre dies der Ausflug einer Irrenanstalt - und momentan kann ich das nicht eindeutig ausschließen - würden wir mit unserer harmlosen Verkleidung, locker als Wärter durchgehen.
Der gesamte Park ist von ausgelassenen Freaks in bunten Klamotten übersät, jeder zweite von ihnen trägt Sonnenblumen im Haar und alles lacht und feiert.
Während ich noch um Fassung ringe, zaubert Kordula aus ihrer Handtasche eine Flasche in Form einer Gießkanne hervor und Elke verteilt eifrig Pappbecher. Die rötliche Flüssigkeit riecht verdächtig hochprozentig und ich möchte lieber nicht wissen, was die drei Frettchen für den Drink aus meiner Bar entwendet haben.
"Auf das Leben!", kreischt Peggy und ich starre sie verwirrt an. Schwangerschaft muss etwas Tolles sein, man darf sich wie eine Verrückte benehmen, ohne einen einzigen Tropfen Alkohol im Blut zu haben. Als könne sie meine Gedanken lesen, streichelt Peggy selbstgefällig über ihren aufgedunsenen Bauch.
"Liebe ist meine einzige Droge", meint
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