Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
auf meine Schulter und ich schließe genervt die Augen. Jetzt weiß ich, um welche Sorte Doktor es sich handelt. Na vielen Dank auch, Chef!
So rührend es auch ist, dass mein Vorgesetzter mich als Problemfall unter seine Fittiche nimmt, so übertrieben ist es auch. Außerdem hege ich den leisen Verdacht, dass es ihm nicht nur um mein Wohlbefinden geht, sondern auch um die persönliche Rache an den Vorständen für sein Hintergehen. Ich habe mich gegen seine Maßnahmen zwar gewehrt, doch Herrn Kreutzer und seine Ratschläge abzuschütteln, ist schwieriger als auf LSD einzuschlafen. Derartige Witze kann ich mir inzwischen erlauben, nur leider will niemand mit mir darüber lachen. Dabei ist gerade jetzt mein Galgenhumor überlebensnotwendig. Wenn ich an die vergangenen Stunden denke, wird mir heiß und kalt: Der Versuch mich am Montagmorgen leise in mein Büro zu stehlen, ging gründlich daneben. Kaum hatte ich unser Stockwerk betreten, da sah ich es schon. Hunderte bunter Luftballons schmückten meine Bürotür und von Nahmen konnte ich ein Banner mit Schriftzug erkennen.
"Gemeinsam schaffen wir das, Frau Wiese!" , stand darauf. Irgendein Vollidiot hatte mit schwarzem Edding "No Drugs – Keine Macht den Drogen", darunter gekritzelt. Einen kurzen Moment war ich versucht, den Fetzen von der Tür zu reißen, doch da bog Herr Kreutzer freudestrahlend um die Ecke. Mir ist es bis jetzt noch ein Rätsel, wie zum Teufel er mich hören konnte, da ich seit dem Verlassen des Fahrstuhls sogar mein Atmen eingestellt hatte. Ob er mir in meinem Rausch einen Chip unter die Haut implantieren ließ? Ich würde es ihm durchaus zutrauen.
Sein Lächeln war eine Spur zu breit, um die Unsicherheit darunter zu verbergen. Schon auf zehn Metern Entfernung fuhr er die Hand zur Begrüßung aus und eilte mir mit gestrecktem Arm entgegen.
"Frau Wiese, schön dass Sie gekommen sind. In Ihrer Situation heute hier aufzutauchen, das nenne ich mut…, äh, mustergültig. Einfach toll."
Mein Magen zog sich ruckartig zusammen, während ich nach einer Antwort suchte. Hätte ich lieber einen Monat auf Entziehungskur gehen sollen?, schlug mein Aggressionszentrum vor, doch ich entschied mich zu schweigen.
Herr Kreutzer hingegen wählte stumpfsinnige Konversation.
"Wie geht es Ihnen heute Morgen?"
Bei dieser Frage trat er etwas näher und schaute mir tief in die Augen. Ich erkannte sofort, dass dies lediglich der Überprüfung meiner Pupillengröße diente und wandte trotzig mein Gesicht ab. Das ging nun zu weit!
"Gut, Herr Kreutzer, danke. Es geht mir wirklich gut! Wie ich schon am Samstag mehrmals sagte, handelte es sich nur um ein Missverständnis. Es gibt also keinen Grund zur Sorge."
Mit diesen Worten drehte ich mich um und öffnete meine Tür. Eine Flut von Blumen schlug mir entgegen und zerstörte meinen lässigen Abgang.
"Ist das nicht sensationell?!", rief der Rotfuchs in meinem Rücken begeistert aus. "Sämtliche Kollegen haben für Sie gesammelt, von der Putzfrau bis zum Vorstand."
Dann stellte er abermals Körperkontakt her, indem er sentimental meine Schulter drückte.
"Sie werden geliebt, Frau Wiese!"
Ich starrte ihn an und Herr Kreutzer wiederholte nachdrücklich: "Wir lieben Sie!"
Das musste er in einem Ratgeber gelesen haben und ich nahm mir fest vor zu kündigen, bevor das zweite Kapitel an die Reihe kam. Doch zunächst wollte ich nur eines: Schreien. Die Tatsache, dass jeder in der Firma über mich und meinen Absturz informiert war, machte mich sprachlos. Tränen der Wut und Verzweiflung stiegen in mir auf, während mich mein Chef, der die Reaktion missverstand, sanft auf meinen Stuhl drückte.
"Schon gut, Frau Wiese, das ist zweifellos ein sehr bewegender Moment für Sie. Ich werde Sie jetzt allein lassen und wenn Sie sich im Laufe des Tages etwas besser fühlen, kommen Sie einfach in mein Büro. Dann besprechen wir die weiteren Schritte."
"Die weiteren Schritte?", krächzte ich tonlos.
Mein Vorgesetzter nickte heftig: "Aber natürlich, wir werden Sie doch mit Ihrem Problem nicht allein lassen. Ich habe sämtliche Hebel in Bewegung gesetzt, Sie werden staunen!"
Mit dieser Drohung verließ er mein Büro, unwissend, dass ihm sein Rückzug das Leben rettete. Ich blieb allein zurück und stierte in die Luft. War ich am Vorabend noch ein Gegner berauschender Mittel, hatte ich nun eindeutig das, für eine Sucht erforderliche, Stadium der seelischen Zerstörung erreicht. Mit Grauen sah ich dem weiteren Tagesverlauf entgegen und meine
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