Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
Befürchtungen sollten sich als gerechtfertigt herausstellen.
Die nächsten Stunden verliefen zunächst ruhig, keiner der Kollegen wagte sich in mein Büro. Wahrscheinlich aus Angst vor dem Anblick, der sich Ihnen dort bieten würde. Mit dem Mittag kam der Umschwung, die Leute fielen in Scharen ein und mein Zimmer glich einem Bienenstock. Wahrscheinlich dachten die Herrschaften, wir Drogenabhängige seien erst ab zwölf Uhr ansprechbar oder sie fanden nur im Kollektiv den Mut, mir gegenüber zu treten. Ich konnte mich vor Mitleidsbekundungen und Freundschaftsangeboten kaum retten. So ein Seelenstriptease in der Öffentlichkeit ist wirksamer, als ein Partyaufruf bei Facebook. Am Ende des Tages hatte ich mehr Freunde als Marc Zuckerberg.
Meine anfänglich noch überzeugenden Erklärungsversuche klangen von Mal zu Mal schwächer und selbst in meinen Ohren unglaubwürdig. Irgendwann gab ich es ganz auf und nickte nur noch dankbar, wenn mir scheinbar wildfremde Leute ihre Telefonnummern zusteckten. Herr Kreutzer war so reizend, alle Mitarbeiter zu bitten, mich ganz normal und nicht wie eine Aussätzige zu behandeln. Das hatte natürlicherweise zur Folge, dass meine Kollegen vor mir bergeweise Süßholz raspelten, bis ihre Hände davon ganz wund waren, nur um sich diese anschließend hinter meinem Rücken schadenfroh zu reiben.
Um mir eine Auszeit von dem Trubel zu gönnen, unternahm ich stündlich einen Ausflug zum Klo, wobei ich das achte Stockwerk verließ und die Kellerräume ansteuerte. Da in den Toiletten im Untergeschoss lediglich unsere Hausmeister und Putzfrauen verkehren, wähnte ich mich dort in Sicherheit.
In den ersten zwei Stunden umging ich so tatsächlich den mitleidigen Schulterklopfen und fragenden Blicken, ich freute mich schier auf meine nächste Pinkelpause. Doch später wurde ich in eben diesen Räumen unfreiwilliger Zeuge von etwas Schrecklichem. Zwei Damen vom Reinigungspersonal zerrissen sich ihr Schandmaul über mich, glücklicherweise musste ich nur das Ende des Gesprächs mit anhören.
"Ach, deswegen war das Wiesel immer so daneben, das erklärt natürlich einiges."
"Ja, man munkelt ein Mann habe ihr das Herz gebrochen, ab dann ging es mit ihr nur noch bergab."
Was war das für ein Gekreische, als ich wutentbrannt aus der Kabine raste! Doch nicht einmal die kreidebleichen Gesichter der beiden konnten mich erfreuen. Die Erkenntnis, dass jeglicher Respekt, den ich mir jahrelang hart erarbeitet habe, so blitzartig verschwunden war, wie ein Schnitzel auf Emmas Teller, erschütterte mich zutiefst. Jegliche Sympathien hatte ich an einem einzigen Tag das Klo runter gespült, Respekt und Anerkennung mit Spiritus übergossen und angezündet. Wie sollte ich da nicht die Beherrschung verlieren?
Schnurstracks ging ich daraufhin zu Herrn Kreutzer. Da es ohnehin nicht mehr schlimmer werden konnte, beschloss ich das unangenehme Gespräch nicht unnötig hinauszuzögern. Wenn schon Scheiße, dann bitte mit Schwung!
Aber auch hier hatte ich mich schwer verschätzt, wie sich herausstellte konnte es sehr wohl noch schlimmer werden. Mein Chef hatte seiner Ankündigung Taten folgen lassen und sämtliche Ärzte kontaktiert, um mir nun stolz sein teuflisches Werk zu präsentieren. Mit zuckendem Augenlid beäugte ich den vollgestopften Terminplan und mir war klar, dass ich am Ende dieses Therapiemarathons zweifelsohne reif für die Klapsmühle wäre. Doch Widerspruch ist Treibstoff für Herrn Kreutzers Motor und so landete ich letzten Endes hier, beim Betriebspsychologen seines Vertrauens und versuche verzweifelt meine Geschichte zu erzählen.
Das allein ist schon sehr traurig. Zudem musste ich in den vergangenen Minuten feststellen, dass der Herr Nervendoktor mehr an einem Lehrbuchfall aus seiner Studienzeit - die übrigens mehrere Jahrzehnte zurückliegen muss - als an der Wahrheit interessiert ist. Jegliche Einwände meinerseits wurden gnadenlos abgeschmettert und ich lausche inzwischen still und ergeben seinem Monolog und lasse mich nur hin und wieder zu einsichtigem Nicken hinreißen. Da ich als seelisch schwer angeschlagen gelte, wird mir meine, nicht gerade hilfreiche, Zurückhaltung nicht übel genommen. Das versichert mir der Therapeut wohlwollend, während er mich nach einer Stunde voller Qualen aus der Tür schiebt. Was bin ich doch für ein glückliches Glücksschwein!
Gegen Feierabend ruft mich Herr Kreutzer erneut in sein Büro. Als ich eintrete, strahlt er wie ein Honigkuchenpferd, was nur eines bedeuten
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