Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
dennoch kein Knistern zwischen uns einstellen, was vermutlich der Grund für meine entspannte Haltung ist. Keine Spielchen, kein Rumgebalze und Fingieren falscher Tatsachen oder interessanter Hobbys. So unkompliziert könnte eigentlich jedes Date ablaufen.
"Entschuldigen Sie, Charlotte. Ich muss Sie schrecklich langweilen mit meinen Vorträgen über Brasilien. Ich liebe dieses Land einfach zu sehr, aber wem erzähle ich das? Sie waren ja selbst einmal dort. Wie sind wir eigentlich auf das Thema gekommen?"
Bei der Erinnerung an meine Drogeneskapade erröte ich, und auch wenn Max diese Geschichte überaus witzig findet, werde ich ihn gewiss nicht noch einmal daran erinnern. Unschuldig zucke ich mit den Schultern und der Mann gewordene Traum einer jeden Frau fährt fort.
"Jetzt aber zu Ihnen, ich weiß so wenig über Sie. Raus mit der Sprache, was machen Sie genau?"
Ich verstehe nicht ganz und schaue Max fragend an.
"Was ich mache?"
Er nickt aufmunternd und ich überlege. Max hat recht, in den letzten Minuten habe ich lediglich an meinem Drink genippt und verzückt seinen Ausführungen gelauscht. Jetzt ist es an der Zeit, den Mann zu beeindrucken und von meinen Qualitäten zu überzeugen. Er soll mehr als eine gelegentlich zugedröhnte Extremistenjägerin in mir sehen. Ich muss sein Interesse wecken und Martin beweisen, wie begehrenswert fremde Männer mich finden. Mit einem feuchten Händedruck zum Abschied kann ich meinen Nachbarn garantiert nicht hinter dem Ofen hervorholen.
Da gibt es nur leider ein Problem: Mein Leben ist langweilig. Ich arbeite seit Ewigkeiten in der Marketingagentur HitStorm, in der ich ursprünglich als Vorstandssekretärin begann. Obwohl ich von ausgeklügelten Strategien so viel Ahnung habe, wie Herr Kreutzer von Meinungsfreiheit, habe ich durch einen glücklichen Zufall die Öffentlichkeitskampagne des Luckylife-Centers ergattert. Das ist zwar der Durchbruch auf meinem bisherigen Karrieretrampelpfad, aber damit kann ich wahrlich keinen Geschäftsführer beeindrucken. Mit Speck fängt man Mäuse, aber ich bin eher Tofu, der nicht einmal Ameisen anlocken würde. Auch meine Hobbys oder Reisen lassen an Außergewöhnlichkeit und Nervenkitzel zu wünschen übrig. Während sich Max alleine mit nichts weiter, als einem Taschenmesser zwischen seinen makellosen Zähnen, durch den brasilianischen Dschungel und die Favelas von Rio geschlagen hat, bin ich lediglich auf einer geführten Rundreise im klimatisierten Reisebus und unter deutschsprachiger Führung durch das Land gereist. Da sind die Kaffeefahrten auf Mallorca gefährlicher, zumindest wenn man nicht vorhat, eine Heizdecke zu kaufen.
Die aufregendsten Tage meines Lebens habe ich in den vergangenen Wochen erlebt, aber das werde ich dem Goldbärchen bestimmt nicht auf die Nase binden. Eine Sache habe ich bei HitStorm früh begriffen: Dinge zu verschönern und aufzuhübschen ist mit etwas Fantasie nicht allzu schwer und mit ein paar winzigen Fußnoten sogar legal. Nachdem wir vor zwei Monaten sogar ein Restaurant für vegetarische Hunde erfolgreich beworben haben, sollte mir ein kleines bisschen Selbstmarketing nicht allzu schwer fallen.
Selbstbewusst beuge ich mich vor, bestimmt fällt mir gleich etwas Geistreiches ein. Ich öffne entschlossen meinen Mund, die besten Ideen entstehen ja bekanntlich im Vorgang.
"Hmm, ja wo soll ich bloß anfangen", beginne ich. "Also, wenn ich mal kein Gebäude vor einem Stinkbombenangriff rette", ich mache eine kurze Pause, um meine Pointe wirken zu lassen, "dann, ähm, mache ich eigentlich alles was Spaß macht."
Bravo Charlotte! In meinem Kopf hallt das höhnische Echo eines einsamen Jubelpersers und ich rede schnell weiter.
"Ich gehe gern auf Konzerte, fahre Ski, liebe Kochkurse und Rollschuhfahren und …" Ich durchforste mein Gedächtnis nach weiteren Aktivitäten der letzten Woche.
"Und gehe Speed…"
In letzte Sekunde kann ich mich stoppen. Will ich Max ernsthaft erzählen, dass ich es liebe, zum Speeddating zu gehen?
"…klettern!", ergänze ich und könnte mir im gleichen Moment in meinen unsportlichen Hintern beißen.
Hoffentlich fragt Max nicht nach Details, alles was ich weiß, habe ich - wie meistens - aus der Alicia . Doch es ist zu spät, seine Augen leuchten voller Vorfreude und er kann seine Begeisterung kaum im Zaum halten.
"Speedklettern? Das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut!"
Ich schaue bedröppelt drein.
"Nun ja, das ist natürlich alles eine Frage des Trainings", entgegne ich
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