Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
eindeutig: "Na und, dann weine ich eben in der Öffentlichkeit. Ich schäme mich nicht, meine Gefühle zu zeigen!"
Das funktioniert ganze zwei Sekunden, bis mein Blick auf die verspiegelten Fenster des vorbeifahrenden Busses fällt. Bei meinem Anblick trifft mich der Schlag, eilig flitze ich in die Toilettenräume des Cafés und beginne mit den Restaurationsarbeiten. Anschließend fühle ich mich seltsam ruhig und gestärkt. Wie nach einem Regenschauer, bin ich innerlich klar und aufgeräumt.
Was soll’s, dann habe ich eben keine Ahnung wie man ein Marketingprojekt leitet. Na und, dann habe ich eben Herrn Weber erzählt, ich hätte meine Diplomarbeit darüber geschrieben. Das ist doch noch lange kein Weltuntergang. Ich werde einfach umgehend losziehen und mir jegliches verfügbare Wissen zu dem Thema reinziehen. Und am Ende werde ich meine Aufgabe nicht nur zu aller Zufriedenheit erledigen, nein. Ich werde komplett neue Lösungsansätze erarbeiten und frischen Wind in die Branche bringen, jawohl! Meine Ideen werden neue Maßstäbe setzen und renommierte Firmen werden sich anschließend um mich reißen. Wenn man mich später interviewt, werde ich diesen Vorfall sogar in eine kleine witzige Geschichte einbauen. Natürlich etwas verharmlost und ohne die Tränen und meinem waschbärähnlichen Make-up. Später bei meiner Ehrung werde ich gespielt bescheiden sagen: "Ein besonderer Dank gilt der Geschäftsleitung, die mich durch Zufall in das kalte Wasser geworfen hat und somit mein Talent erst zum Vorschein brachte."
Und dann wird Herr Brunner ganz gerührt sein, und die ganze Pressewelt wird schreiben: "Erfolgreich und bescheiden – eine moderne Aschenputtel-Geschichte" Na ja, denen wird schon etwas einfallen.
Lächelnd stelle ich den Wasserhahn aus und zwinkere meinem Spiegelbild zu. Ich weiß auch schon wie ich an das erforderliche Wissen komme. Siegessicher mache ich mich auf den Weg in unsere Stadtbücherei.
Am kommenden Morgen arbeitet Paul sehr hart. Um nicht abgelenkt zu werden, hat er sich in seinem Zimmer verbarrikadiert und mit dem Rücken zum Fenster platziert. Und dennoch, allen Bemühungen zum Trotz, kann er das Abschweifen seines Verstandes nicht verhindern. Als er sich zum wiederholten Mal dabei ertappt, sinnlos an die weiße Wand zu starren, legt er entmutigt den Stift zur Seite. Eine quälende Frage spukt beharrlich in seinem Kopf und lässt ihn keine Ruhe. Hatte er sich zu viel zugemutet, würde er die an ihn gestellten Erwartungen erfüllen können? Ein Projekt solchen Ausmaßes ist nicht nur neu für ihn, sondern auch vollkommen fremd. Pauls Angst, von John überschätzt zu werden und kläglich zu versagen, verstärkt sich von Stunde zu Stunde und nagt an seinem ohnehin schon dünnen Nervenkostüm.
Verärgert über die eigene Unsicherheit richtet Paul sich auf. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für Skepsis und lähmende Tatenlosigkeit. Die Präsentation der ersten Ergebnisse ist bereits für den kommenden Tag angesetzt und Paul möchte John auf keinen Fall enttäuschen. Außerdem hat er inzwischen eine gute Vorstellung von seiner Aufgabe gewinnen können, auch wenn er noch nicht alle Fakten und Schriftstücke kennt. Es gibt also - bis auf seiner inneren warnenden Stimme - keinen Grund, die Flinte verfrüht ins Korn zu werfen.
Nachdenklich betrachtet er seine Notizen. Die Aufgabenstellung ist umfangreich und trotzdem simpel. Es gilt ein heruntergekommenes Objekt zu sanieren und mittels eines neuen freundlichen Konzepts, lang verschollene Gefühle wie Glück und Zufriedenheit in das karge Innenleben zu bringen. Für diese Zwecke muss einiges gründlich überarbeitet werden, soviel steht fest. Sowohl die äußere Fassade als auch der innere Zustand entsprechen in keinster Weise den Wünschen und Vorstellungen der Inhaberin und dennoch wundert sich diese, warum ihre Ziele nicht erreicht werden.
Paul schüttelt den Kopf, nicht zum ersten Mal an diesem Morgen wundert er sich über die fremdartige Prioritätensetzung. Doch Naserümpfen und Besserwisserei sind nur störende Begleiter, die Paul nicht weiterhelfen. Eines hat ihn seine berufliche Erfahrung gelehrt: Kunde sticht Verstand und gewinnt somit immer.
Stirnrunzelnd überfliegt Paul das letzte Schreiben der Eignerin und schmunzelt. Als Name des Freizeitcenters, welches den Schwerpunkt seines Auftrags darstellt, wurde passenderweise "Luckylife" gewählt. Allerdings sind nicht alle Menschen über dessen Entstehung glücklich. Da der Umbau viel
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