Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
Gesicht strömt und in einem Bach auf meiner Hose endet. Mein gesamter Körper bebt und nur mühsam gelingt es mir, zwischen zwei Schluchzern nach Luft zu schnappen.
Während ich mich in dem Gefühlscocktail auflöse wie Aspirin in Wasser, stehe ich neben mir. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wie ein unbeteiligter Außenstehender glotze ich von oben auf mich und die merkwürdige Szenerie herab. Ich muss sagen, mein Ausbruch verblüfft mich selbst. Fassungslos beobachte ich eine hysterische Frau, die - mir völlig fremd - das weiße Tischtuch vollrotzt. In dieser ungewohnten Zuschauerrolle betrachte ich mich nachdenklich. Wird es so mit mir zu Ende gehen? Von Männern in den weißen Kittel abgeholt und in eine Klapse gesperrt?
Schade, dabei hatte ich mich so viele Jahre perfekt unter Kontrolle. Gefühle trage ich selten nach außen. Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott, das habe ich schon als Kind gelernt. Wenn Vater abends von der Arbeit kam, war er meist so erschöpft, dass er unmöglich auch noch mit den Problemen eines kleinen Mädchens belastet werden konnte. Das fand jedenfalls meine Mutter, die strengstens darauf achtete, mich kurz nach seinem Eintreffen in mein Zimmer zu sperren. So lernte ich früh, mich allein gegen prügelnde Jungs und lästernde Mädchen zu wehren. Die Außenseiterrolle die ich mir dabei unbewusst zulegte, störte mich nicht. Im Gegenteil, wer nicht auffällt, bekommt keinen Ärger. Noch eine Lektion, die mich meine Mutter lehrte. Mit dieser Philosophie kam ich ohne große Zwischenfälle bis zur Oberstufe durch. Hier habe ich allerdings erfahren, dass Unsichtbar sein, mehr Fluch als Segen ist. Keine Freunde, keine Verabredungen, nur eine große Stille die erst mein Zimmer und später auch mein Herz belegte.
Der Schulwechsel auf das Gymnasium kam mir gerade recht, ich nutzte die Chance und polierte mein Image gründlich auf. Mit Erfolg, wie ich rückblickend behaupten kann. Ich war nach wie vor ein Außenseiter, aber statt einzustecken, teilte ich aus. Ich ging nicht mehr im Getümmel des Schulflures unter, nein, ich wurde gesehen. Natürlich wurde nach wie vor über mich gesprochen, ich war nicht so dumm, mir etwas anderes einzureden. Aber zwischen den boshaften Zeilen konnte man deutlich Angst und Respekt heraus hören. Und mehr wollte ich nicht. Außerdem war ich nicht mehr allein. Meine angeblichen neuen Freunde standen selbstverständlich nur in guten Zeiten an meiner Seite und waren nicht weniger verhasst als ich. Aber diese oberflächlichen Kontakte genügten mir, um die Schulzeit zu überstehen.
Später im Beruf, musste ich feststellen, dass derartige Spielchen nicht mehr funktionierten, so habe ich nur die Rolle der Einzelgängerin beibehalten. Auch das Knüpfen neuer Kontakte gestaltete sich fortwährend schwieriger, viele meiner Kolleginnen lebten in ihrer eigenen heilen Welt, bestehend aus Familie und Backwettbewerben und so war ich wieder allein.
Die glückliche Wende trat im letzten Sommer ein. Nach einem Klassentreffen stellte ich erleichtert fest, dass dieses Phänomen nicht nur mir, sondern auch vielen meiner ehemaligen Freundinnen passierte. Was für ein Segen! Seitdem treffen wir Mädels uns regelmäßig, um uns gegenseitig zu beweisen, dass wir es im Leben zu etwas gebracht haben und auf Kaffeekränzchen mit dreifachen Müttern gut verzichten können. Wir trinken Wein, reden stundenlang aufeinander ein und erzählen uns die tollsten Geschichten. Und am Ende des Abends haben wir nicht nur die anderen, sondern auch uns selbst von dem eigenen tollen Leben so glaubhaft überzeugt, dass wir beruhigt in unsere Kissen sinken.
Der Gedanke an meine Freundinnen lässt mich zur Vernunft kommen und das Zittern meiner Unterlippe nimmt ab. Die drei werden vor Neid umfallen, wenn ich ihnen von meiner neuen leitenden Position erzähle. Bald wird die ganze Stadt von nichts anderem, als dem neuen Center sprechen und ich bin fortan eine der wichtigsten daran mitwirkenden Personen. Allmählich erhole ich mich von meinem Schock und das Atmen fällt mir leichter. Durch den langsam versiegenden Tränenschleier stelle ich fest, dass der Kellner wortlos ein weiteres Glas vor mir abstellt und mich tröstend anlächelt.
"Geht aufs Haus", muntert er mich auf.
Na prima, so weit ist es also mit mir gekommen! Trotzig richte ich mich auf und setze ein selbstbewusstes Lächeln auf. So hochmütig wie es mir mit verquollenen Augen und versautem Make-up möglich ist, blicke ich in die Runde. Mein Blick sagt
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