Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
Platz benötigt, muss das alte städtische Gemeindezentrum den neuen Plänen weichen. Allein die Vernichtung der geschichtsträchtigen Erinnerungen genügt, um das Missfallen vieler Einwohner zu wecken. Zusätzlich wird eine beachtliche Grünfläche mit wunderschönen alten Bäumen den Umbaumaßnahmen zum Opfer fallen. So beschränken sich die Gegner des Vorhabens nicht nur auf alteingesessene, konservative Bürger der Stadt, sondern schließen auch sämtliche Umweltaktivisten des Landes mit ein. Diese Stelle ist der Stolperstein des gesamten Projekts. Es wird harte Arbeit bedeuten, zum einen die Wünsche der Inhaberin zu erfüllen und zeitgleich mit einer positiven Imagekampagne die Öffentlichkeit, von ihren menschlichen Qualitäten zu überzeugen.
Doch nichts ist unmöglich, davon ist Paul überzeugt. Mit neuem Enthusiasmus blättert er durch die letzten Seiten seines Projektbuches, in dem er die wichtigsten Punkte säuberlich geordnet und bildhaft veranschaulicht hat.
Paul liebt Illustrationen, sie vermitteln ihm das Gefühl von Struktur und Klarheit, zumindest bei seiner Arbeit kann er so für Ordnung sorgen. Beim Anblick einiger Zeichnungen muss er schmunzeln, als Künstler würde er keine Woche überleben können, seine Talente liegen eindeutig in anderen Bereichen. Doch Paul ist bei Plan4Good auch nicht als Picasso eingestellt worden und unter normalen Umständen arbeitete er auch nicht mit solch gewöhnlichen Werkzeugen wie Papier und Bleistift. Eine Power-Point-Präsentation ist das Mindeste was man in seiner Branche bei einem Vortrag erwartet.
Wieder muss Paul feststellen, wie anders die Uhren an diesem Ort ticken. Selten hat er eine derartige Konzentration auf den Inhalt erlebt, zu oft lag der Fokus auf einer hübschen Verpackung, serviert mit viel Schaumschlägerei. Dem bodenständigen Paul ist die neue Situation nur recht, er hat es noch nie leiden können, stundenlang in inhaltslosen Sitzungen seine Zeit zu verschwenden.
Gegen Mittag beschließt Paul, eine kurze Pause einzulegen und seinen täglichen Bericht bei Julia abzuholen. Da er bisher weder über einen Computer mit Mailfunktion noch über ein Faxgerät oder Telefon verfügt, ist ein altmodischer Besuch die einzige Möglichkeit, mit den neuesten Informationen versorgt zu werden. Und eine rege Kommunikation ist überlebenswichtig, unvorhergesehene Änderungen waren auch bei Plan4Good an der Tagesordnung. Nicht selten änderten rechtliche Entscheidungen oder wankelmütige Kunden die Gesamtsituation entscheidend und vernichteten auf einen Schlag die Arbeit mehrerer Tage.
Als Paul die riesige Eingangshalle betritt, beschleicht ihn das vertraute Gefühl der Ehrfurcht. Die hohen Wände lenken seinen Blick automatisch an die Decke und auf einmal fühlt sich Paul wie ein Zwerg. Ein dicker Kloß macht es sich in seiner Kehle gemütlich und zwingt Paul zum Schlucken. Hastig durchquert er den Raum, um die aufsteigende Unsicherheit im Keim zu ersticken.
"Hallo Julia."
Der Klang seiner tonlosen Stimme ärgert Paul. Möglichst lässig stützt er die Ellenbogen auf den Tresen und setzt einen unbekümmerten Gesichtsausdruck auf.
"Hallo Paul, wie geht es Ihnen?", perlen die Worte aus Julias Mund und Paul räuspert sich.
"Danke sehr gut, und Ihnen?"
Auch Julia nickt lächelnd und Paul verstummt scheu. Die leuchtenden Augen der Empfangsdame lassen seine aufgesetzte Fassade bröckeln, noch nie hat er eine vollkommenere Schönheit gesehen. Und auch wenn Julia es garantiert nicht beabsichtigt, fühlt er sich in ihrer Gegenwart wie eine kleine Maus.
Diese schüttelt wissend den Kopf, während sie einen Stapel über den Tresen schiebt. Verwirrt betrachtet Paul den Papierberg.
"Das ist alles?", fragt er erstaunt. "Ich meine, so viel?"
Verwundert mustert Julia sein fragendes Gesicht.
"Ein Tag macht viel aus, da kann sich einiges ändern", meint sie bestimmt. "Sie haben doch an dem Projekt gearbeitet, oder?"
Paul nickt perplex, freilich hatte er Überlegungen angestellt und Pläne entworfen, aber was konnten seine groben Zeichnungen mit diesen Vorgängen zu tun haben? Er hatte nichts veranlasst oder konkrete Aufträge erteilt, sondern sich lediglich einen Überblick verschafft. Bis vor fünf Minuten hatte Paul noch das Gefühl gehabt, bei seinen Arbeiten gut voranzukommen, doch jetzt steigen leise Zweifel in ihm auf.
"Sie werden sich bald an die neuen Abläufe gewöhnen, da bin ich mir sicher!", versucht Julia den verstörten Paul zu beruhigen.
Dieser nimmt zaghaft die
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