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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Tempelritter womöglich? Der Orden verfolgt stets seine eigenen Ziele …«
    »Nein – obwohl wir auch auf sie getroffen sind. Vier Templer, die den Auftrag hatten, die Mönche zu töten.«
    »Was ist mit ihnen geschehen?«
    »Ein einäugiger Ritter, der eine schwarze Rüstung trug, tauchte auf und hat sie im Kampf getötet.«
    »Ein schwarzer Ritter?« Zum ersten Mal hatte es den Anschein, dass ihr Meister mehr überrascht als wütend war.
    »Ja«, bestätigte sie vorsichtig. »Ich weiß, es hört sich seltsam an, aber so ist es gewesen.«
    Er erwiderte nichts, sondern starrte sie nur an, sein Blick war unmöglich zu deuten. »Wie sonderbar das Leben spielt«, meinte er schließlich. »Man könnte beinahe an Schicksal glauben.«
    »Was meint Ihr damit?«
    »Damit meine ich, dass mir nun manches klar wird«, erwiderte er, während er sie gleichzeitig am Arm packte und davonzerrte.
    »Wo … wohin bringt Ihr mich?«
    »Hast du das nicht vorausgesehen?«, fragte er barsch dagegen. »Du weißt doch sonst alles!«
    »Nein, ich … Bitte, Herr, lasst mich gehen!«, rief sie, während sie sich verzweifelt gegen seinen Griff wehrte, der jedoch so unnachgiebig wie ein Schraubstock war. »Lasst mich am Leben, ich bitte Euch …!«
    Jäh blieb er stehen, starrte auf sie herab, die dunklen Augen wie Kohlen glühend. Nun erst wurde ihr bewusst, dass sie in ihrer Not Französisch gesprochen hatte, das ihr inzwischen fast leichter über die Lippen ging als das Arabische.
    »Was hast du gesagt?«, fragte er, und zu ihrer vollständigen Verwirrung tat er es ebenfalls auf Französisch.
    »Lasst mich am Leben, ich bitte Euch«, wiederholte sie flüsternd, während sie ihn ungläubig anstarrte. Ihr ganzes Leben lang hatte sie in diesem Mann ihren Meister gesehen, ihren Mentor und Förderer, von dessen Gunst sie abhängig war, eine Gunst, die zu erlangen sie alles getan hatte. Nun stand er plötzlich wie ein Fremder vor ihr.
    »Du – erinnerst dich?«
    Sie nickte zaghaft, fürchtete einen weiteren Ausbruch von Wut und Gewalt. »Seit der Begegnung mit jenem Ritter ist nichts mehr, wie es vorher war.«
    »Ich verstehe.«
    Unbewegt stand er da und starrte sie an. Einen Augenblick schien er unentschlossen, was er tun sollte. Dann fielen seine Mundwinkel herab, und seine Züge verzerrten sich. Erneut packte er sie grob am Arm und schleppte sie davon.
    »Wohin bringt Ihr mich?«, wollte sie wissen. »Was habt Ihr mit mir vor?«
    Aber er antwortete nicht.

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7
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    »Bei uns fängt man Fische, deren Blut purpurn färbt. Wir besitzen viele Festungen, ausgezeichnet tapfere und missgestaltete Völkerschaften.«
    Brief des Johannes Presbyter, 208 – 210
    Zagrosgebirge
Zur selben Zeit
    Rowan war allein. So allein, wie ein Mensch nur sein konnte.
    Was er auf dem Bergsattel vorgefunden hatte, hatte alles verändert. Ihm war nicht klar gewesen, wie sehr er sich bis dahin an die Hoffnung geklammert hatte, dass Bruder Cuthbert vielleicht doch noch am Leben sein und er ihn finden könnte. Nun war alle Hoffnung verflogen.
    Und dennoch hatte er seinen Weg unbeirrt fortgesetzt. War es Pflichtbewusstsein, das ihn dazu drängte, obwohl er seit Tagen auf keinen weiteren Hinweis mehr gestoßen war? War es kindischer Trotz? War es die Dankbarkeit, die er seinem toten Meister gegenüber verspürte? Oder war er nur nicht mutig genug, sich einzugestehen, dass die Mission längst gescheitert war?
    Den Schädel hatte er unter einem Steinhaufen beigesetzt, den er in aller Hast aufgeschüttet und über dem er ein Gebet für Bruder Cuthbert gesprochen hatte. Das Pendel jedoch hatte er als Erinnerung an seinen alten Meister behalten.
    Über steile Anstiege und durch zerklüftete Schluchten hatte der Marsch ihn noch weiter ins Gebirge hineingeführt. Zu Beginn konnte er noch reiten, später musste er immer öfter absteigen und zu Fuß gehen, wenn das Gelände zu steil wurde oder der steinige Boden keinen sicheren Tritt mehr bot. Seinen Durst stillte Rowan an den zahllosen Quellen, die im Gebirge entsprangen. Die Nächte verbrachte er unter Felsvorsprüngen oder an anderen geschützten Orten, halb wachend und halb schlafend. Niemals konnte er sich sicher fühlen, rechnete stets damit, dass die Schatten der Nacht zum Leben erwachen und sich auf ihn stürzen würden, so, wie sie sich auf Bruder Cuthbert gestürzt hatten.
    Gedanken wie diese hatten Rowan zu Beginn halb um den Verstand gebracht. Furchtsam hatte er sich umgesehen, wähnte sich auf Schritt und Tritt

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