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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Ehre«, wiegelte Cuthbert ab. »Ich bin nur ein einfacher Ordensmann, der mit der Erforschung eines Rätsels betraut werden soll …«
    »Eines Rätsels, das über den Fortgang der Geschichte entscheiden könnte«, erwiderte Isabela mit einer Abgeklärtheit, die weit jenseits ihrer Lebensjahre lag. »Ihr seid zu bescheiden, Bruder. Sibylla weiß um Eure Kenntnisse als Gelehrter, und sie trachtet sie für ihre Zwecke auszunutzen. Lasst nicht zu, dass es dazu kommt.«
    Rowan beobachtete Cuthbert genau, der sich schwer auf seinen Stuhlrücken stützte, als bedürfte er dessen, um nicht unter der Last zusammenzubrechen, die – erneut – auf seine Schultern gelegt wurde. Rowan begann zu ahnen, von welcher Verantwortung der alte Mönch gesprochen und welche Gefahren er gemeint hatte.
    »Noch ist nichts entschieden«, meinte Cuthbert schließlich. »Ich habe Eure Schwester um Bedenkzeit gebeten, weil ich zunächst einige Untersuchungen anstellen möchte.«
    »Dann sagt ihr, dass jene Untersuchungen erfolglos waren und Ihr keine Hoffnung seht, das Reich des Presbyters zu finden«, schlug Isabela vor. »Niemand wird Euch deswegen anklagen, niemand verurteilen.«
    »Die Wissenschaft wird die Antwort liefern«, lautete Cuthberts ausweichende Antwort, für die Rowan seinen Meister einmal mehr bewunderte.
    »Wie darf ich das verstehen, Bruder Cuthbert?«
    »Schon morgen«, erklärte der Benediktiner bereitwillig, »werde ich einige Versuche durchführen, von denen ich mir Aufschluss erhoffe. Aufgrund dieser Ergebnisse werde ich meine Entscheidung treffen.«
    »Was auch immer Ihr entscheidet – überlegt es Euch gut und seid vorsichtig, Bruder Cuthbert. Jerusalem ist eine Stadt der Täuschung. Vieles hier ist nicht, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.«
    »Ich werde mich vorsehen, Prinzessin.«
    »Gott sei mit Euch.«
    »Und mit Euch, Herrin«, erwiderte Cuthbert, womit die Unterredung beendet war. Isabela griff nach dem Schal, der um ihre Schultern lag, und schlang ihn erneut um ihr Haupt. Dann wandte sie sich zum Gehen. Rowan, der ihr die Tür öffnete und sie nach draußen entließ, würdigte sie keines Blickes. Mit ebenso lautlosen wie raschen Schritten entschwand sie auf dem halbdunklen, nur von wenigen Öllampen beleuchteten Gang.
    Rowan schloss die Tür hinter ihr und verriegelte sie sorgfältig. Dann wandte er sich zu Cuthbert um, der, kaum dass die Prinzessin die Kammer verlassen hatte, kraftlos auf seinen Stuhl gesunken war.
    »Was wollt Ihr nun tun, Meister?«
    »Die Wissenschaft entscheiden lassen, genau wie ich es gesagt habe«, erwiderte der Benediktiner, der in diesem Augenblick um Jahre gealtert schien. »Manchmal ist es am besten, den Dingen ihren Lauf zu lassen.«
    »Ihren Lauf? Aber habt Ihr nicht gehört, was die Prinzessin gesagt hat? Dieser Guy de Lusignan ist ein Kriegstreiber!«
    »Möglich.« Cuthbert nickte bedächtig. »Aber ich habe auch gehört, dass die Templer hinter ihm stehen, und niemand in Jerusalem widersetzt sich den Tempelherren. Außerdem sind die Ziele der Prinzessin nicht so lauter, wie es dir erscheinen mag, mein Junge. Isabela wirft ihrer Schwester vor, meine Dienste für ihre Zwecke zu missbrauchen – dabei tut sie genau dasselbe. Lass dich von ihrem kindhaften Äußeren und ihrer kleinen Gestalt nicht täuschen. Sie weiß sehr genau, dass die Krone des Reiches als Nächstes an sie und ihren Gatten Humphrey von Toron gehen würde, wenn Guy und Sibylla abdanken müssten. Ihre Beweggründe sind also nicht so selbstlos, wie sie uns glauben machen möchte.«
    »Also doch«, sagte Rowan nur.
    »Was meinst du?«
    »Ihr kennt Euch in der Politik sehr viel besser aus, als Ihr es vor Isabela zugeben wolltet.«
    Der alte Mönch lächelte schwach. »Bisweilen ist es sicherer, die Mächtigen im Glauben zu lassen, dass sie allein die Welt verstünden. Aber momentan haben wir ganz andere Sorgen. Mit ihrem Besuch hat uns die Prinzessin in eine gefährliche Zwangslage gebracht. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten wir Sibyllas Auftrag annehmen oder ablehnen, doch diese Freiheit ist uns nun genommen. Wenn wir uns dem Ansinnen der Königin verschließen und sie erfährt, dass ihre Schwester bei uns gewesen ist, so wird sie vermuten, dass wir uns auf ihre Seite geschlagen haben, und es uns als Hochverrat auslegen.«
     »Hochverrat?«, wiederholte Rowan erschrocken. Seine Stirn wurde plötzlich heiß, das kurz geschnittene Haar in seinem Nacken sträubte sich. Er hatte Hochverräter gesehen – oder

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