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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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Mengen an Fasern und genetischem Material heutzutage ausreichen, um Täter zu überführen.«
    Er wartete. Sie starrte in ihre Teetasse, trank jedoch nicht. Sie strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. Übersprungshandlung in den Körperpflegebereich, registrierte er zufrieden. Das bedeutet: Sie befindet sich im Konflikt. Er wartete noch einen Moment, ob sie etwas sagen würde, doch sie blieb stumm. Aha, der Widerstreit der Gefühle schränkt bereits ihr Handeln ein. Gleichzeitig wird ihr Gehirn alle Möglichkeiten durchspielen, um herauszufinden, wozu meine Informationen führen und wie sie darauf reagieren kann, ohne sich zu belasten.
    Stephan fuhr fort: »So ist es mir zum Beispiel gelungen, nachzuweisen, dass die Katzenhaare an meiner Jacke von der Katze meiner Freundin stammen.«
    Er sah, wie ihre Schultern herabsanken und die Hände von der Tasse auf den Tisch glitten: Leichte Entspannung! Klar, mit Katzenhaaren hast du nichts zu tun, dachte er. Beinahe vergnügt fügte er hinzu: »Spur für Spur konnte ich die Zusammenhänge rekonstruieren – bis auf eine.«
    Sie sah auf. Die Schultern hoben sich. Sie faltete die Hände vor sich auf dem Tisch und zog die Füße unter den Stuhl. Tja, jetzt bittest du, dass ich nichts Schlimmes sage, aber dennoch ahnst du es. Er kostete diesen Moment aus, bevor er weiterredete: »Haare eines Angorakaninchens!«
    Ihr Kopf senkte sich. Sie starrte auf die gefalteten Hände.
    Das Bild einer Büßerin, dachte er und sprach gnadenlos weiter: »Ich habe mir den Kopf zerbrochen und überlegt, wie die an das Innenfutter meiner Lederjacke gekommen sein können. Doch dann ist es mir plötzlich wieder eingefallen!«
    Erneut sah sie ihn an. Sie öffnete die Lippen und fuhr hastig mit der Zungenspitze darüber. Dann senkte sie den Blick und schaute gebannt in ihre Teetasse, als gäbe es dort ein geheimes Display, von dem sie hilfreiche Informationen ablesen könnte.
    Er räusperte sich. »Damals, als ich Sie hier besuchte, da haben Sie so einen langen, weichen, apricotfarbenen Wollpullover getragen, vermutlich aus Angora-Wolle?«
    Ihre Blicke verharrten starr auf der Teetasse. Sie zuckte mit den Schultern. Ein etwas verkrampftes Lächeln vibrierte um ihre Lippen.
    »Möglich. Ich habe sehr viele Pullover und weiß im Gegensatz zu Ihnen nicht mehr, was ich damals anhatte.«
    »Klar, verstehe. Meine Hoffnung war gewesen, dass Sie mir vielleicht von diesem Kleidungsstück ein paar Fasern zur Verfügung stellen könnten?«
    Winzige Schweißtröpfchen glänzten auf ihrer Stirn. Sie fuhr auf: »Wieso das denn?«
    »Keine Angst, es würde nichts kaputtgehen.« Er missdeutete absichtlich ihren Aufruhr. »Ich brauchte nur ein paar Härchen davon.« Er nestelte in seiner Tasche, zog einen kleinen Plastikbeutel hervor und legte ihn vor sie auf den Tisch. Ihre Augen weiteten sich. Sie betrachtete das harmlose Tütchen, als sei es eine Monsterqualle, was er mit geheimer Freude registrierte.
    Er gab sich ein wenig verzweifelt: »Wenn ich diese Faserprobe nicht habe, kann ich nicht beweisen, dass ich diese Fasern selbst mitgebracht habe, weil sie von Ihrem Pullover stammen.«
    »Das kann man doch gar nicht so genau feststellen«, wandte sie ein. Ihre Stimme klang kehlig.
    »Doch, das kann man«, erwiderte er überzeugt. »Diese Tierhaare haben eine so einmalige Struktur, dass man die Herkunft ohne jeden Zweifel nachweisen kann.«
    Frank Günther hätte Lars Stephan dazu nur Wahrscheinlichkeitsprozente mitgeteilt, doch das brauchte die Kling nicht zu wissen. Hatte er sich eben noch des Tons der wissenschaftlichen Autorität bedient, so schwenkte er jetzt wieder auf den unterwürfigen Bittsteller und sah sie scheu an: »Könnten Sie nicht so nett sein und nach diesem Pullover schauen?«
    Sie führte ihre Teetasse zum Mund und trank sie in einem Zug aus. Dann sah sie auf ihre kleine, goldene Uhr am Handgelenk. »Dazu habe ich jetzt wirklich keine Zeit. Ich kann demnächst mal danach suchen und melde mich dann.« Sie erhob sich.
    Volltreffer, dachte er. Sie schaltet um auf totale Abwehr und Flucht. Er jedoch tat so, als habe er die Zeichen nicht verstanden, blieb sitzen und starrte völlig zerknirscht vor sich hin. »Das ist das dienstliche Ende für mich«, flüsterte er.
    »Das halte ich für übertrieben«, sagte sie. »Man wird einem Polizisten doch glauben, wenn er erklärt, dass er diese Fasern von außerhalb mitgebracht hat, wo ist das Problem?«
    Er verzog weinerlich die Mundwinkel. »Das

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