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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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und da etwas getan, was ich nicht sehen konnte. Jetzt steht sie wieder und blickt sich um.«
    Stephan wagte es nicht, um die Hausecke zu spähen. Ein Flugzeug donnerte unsichtbar am bewölkten Himmel entlang. Als der Lärm langsam abebbte, sagte er leise ins Handy: »Kannst du sehen, ob sie etwas in den Händen hat?«
    »Sie hat nichts in den Händen. In ihre Taschen hat sie auch nichts gesteckt. Das hätte ich gemerkt. Soll ich sie festnehmen?«
    »Nein, noch nicht. Wir müssen uns erst sicher sein, dass sie am Versteck war.«
    »War sie vermutlich«, flüsterte Hölzinger. »Ich kann jetzt sehen, wo sie dran war. Soll ich sie festnehmen?«
    »Nein, verdammt noch mal. Warte! Wir müssen erst sicher sein und selbst nachsehen.«
    »Jetzt rennt sie rein ins Haus!«, berichtete Hölzinger.
    »Dann treffen wir uns jetzt an der Terrasse, und du zeigst mir die Stelle«, entschied Lars Stephan.
    In einem buntblättrigen Gebüsch gegenüber des Hauses raschelte es. Hölzinger trat vor auf den Rasen und klopfte sich das Herbstlaub von den Kleidern. Lars Stephan eilte mit wenigen Schritten neben ihn und warf einen prüfenden Blick auf die Rückfront des Hauses. Hinter den Fenstern war niemand zu sehen, der sie vielleicht hätte beobachten können. Was machte die Kling jetzt dort drin? Stephan pflückte einzelne Blätter aus Hölzingers Haaren und grinste.
    »So perfekt hättest du dich nicht tarnen müssen, bist ja von der Botanik nicht mehr zu unterscheiden.«
    »Spaßvogel!«, brummte Hölzinger. »Das war keine Absicht. Das Zeug fällt massenweise auf einen runter. Noch eine Weile, und ich wäre zu Kompost geworden.«
    »Nun zeig mir die Stelle!«, bat Stephan und setzte sich in Bewegung. Hölzinger folgte ihm und deutete auf ein mit Gräsern gestaltetes Beet neben der Terrassentreppe, in dem auf einem steinernen Sockel ein tempelartiges Gebilde mit nach oben gewölbten Dachkanten stand.
    »Sie war an dem Vogelhäuschen da.«
    »Das ist kein Vogelhäuschen! Da würde sich die Katze freuen, das ist viel zu nah am Boden.«
    »Was ist es dann?«
    »Das ist irgendwas Fernöstliches«, erklärte Stephan.
    Inzwischen standen sie direkt davor. Hölzinger ging in die Hocke.
    »So saß sie hier. Mit den Händen hat sie was daran gemacht. Ich konnte nicht sehen, was. Es war durch ihren Körper verdeckt.« Stephan bückte sich und schaute in das offene Häuschen. Es war aus Stein wie der Sockel. Er griff mit der Hand hinein und tastete.
    »Hier ist nichts. Außen herum ist auch nirgendwo in der Erde gegraben worden. Am Ende hat der ganze Aufwand, den ich mit ihr getrieben habe, nur dazu geführt, dass sie sich hier hinhockte und eine Mudra gebildet hat. Zuzutrauen wäre ihr das!«
    »Tja, Fehlanzeige«, stöhnte Hölzinger und erhob sich. Dabei geriet er ein wenig aus dem Gleichgewicht und fasste nach dem Giebel des Häuschens, das vom Sockel herab- und in das Beet stürzte. Der Sockel kippte zur Seite. Er war innen hohl.
    Stephan bückte sich und pfiff durch die Zähne. »Hast du schon einmal etwas so schön zusammenbrechen sehen?«, zitierte er aus einem Filmklassiker. Er griff in die Jackentasche, zog die unvermeidlichen Einmalhandschuhe hervor, streifte sie sich über und holte eine einfarbige, schwarze Plastiktüte aus dem Sockel heraus. Hölzinger dokumentierte den Ablauf durch Handyfotos. Stephan öffnete die Tüte und entdeckte wie erwartet das Halstuch und die Kette.
    »Na, was sagst du jetzt?«, triumphierte er.
    »Gratuliere«, lobte Hölzinger. »Wie du das gemacht hast, musst du mir demnächst mal erzählen.«
    »Gerne.« Stephan strahlte. »Hast du größere Tüten dabei, ich hab nur kleine?«
    Hölzinger durchwühlte seine Taschen und zog einen Beutel hervor, in den Stephan die schwarze Tüte mit Inhalt steckte. Anschließend richtete er den Sockel wieder auf und stellte das Häuschen ordentlich ausgerichtet an seinen Platz.
    »War es so?« Hölzinger nickte, dann streckte er seine Hand aus. »Was ist?«, fragte Stephan.
    »Gib mir jetzt bitte Sümeyyes Kette zurück!«
    Stephan drückte ihm das Beutelchen in die Hand, das Hölzinger kritisch musterte.
    »Dass du die Kette auch noch zerreißen musstest, wäre wohl nicht nötig gewesen!«
    »Doch, es war nötig! Ich bezahle die Reparatur aus meinem Privatvermögen. Das ist es mir wert!«, versprach Stephan großzügig.
    Hölzinger kam nicht mehr dazu, eine Bemerkung zu machen, denn plötzlich hörten sie von der Vorderseite des Hauses das Geräusch eines aufheulenden

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