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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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denen sich das Opfer wehrt, mit großer Kraft durchhalten. Aber wenn man so verletzt und verzweifelt ist und will, dass es endlich schweigt und diesen schrecklichen Satz nicht mehr sagt, dann hat man diese Kraft. Die Halsschlagadern werden zusammengedrückt. Im Gehirn entsteht Blutleere. Ohnmacht. Schwarze Nacht. Aus. So war das bei beiden Opfern. Auch bei Svenja Stummer. Vielleicht hatte sie ganz ähnliche Worte gebraucht und damit bei der Täterin ein grausames Déjà-vu ausgelöst. Svenja war kräftiger als Hatice, sie hat sich heftig gewehrt. Es war ein langer und brutaler Todeskampf. Ihr Zungenbein wurde gebrochen. Hatice hingegen hat sogar noch gelebt.«
    Die Augen der Kling wurden glasig, lösten sich von dem Tuch und glitten ins Leere.
    Stephan fuhr mit seiner Schilderung fort: »Die Täterin hat sie in Rückenlage auf dem Boden liegen lassen. Mediziner wissen, wie fatal das ist, denn dadurch ist Hatice Ciftci an der eigenen Zunge erstickt. Die Täterin muss dann in völliger Panik geflohen sein. Ich sehe, wie sie das Tuch und die zerrissene Kette einsteckt. Vielleicht mit der Absicht, mögliche Spuren zu beseitigen, vielleicht aber auch eine gedankenlose Reaktion. Sie zieht die Wohnungstür zu, hastet davon, wendet sich ab, wenn ihr Menschen begegnen. Irgendwann auf diesem Weg kommt sie zu sich, merkt, dass sie das Tuch und die Kette noch hat, und weiß, sie muss sie sofort loswerden. Aber wohin damit? In die nächste Mülltonne? Das geht nicht, denn jeder, der diese Kostbarkeiten darin sähe, würde sie bergen und vielleicht zur Polizei tragen. Sie braucht ein ganz besonderes Versteck. Viel Zeit, es zu finden, hat sie nicht. Sie muss ja auch noch für ihr Alibi sorgen. Der Zufall hilft ihr. Am Dienstag- und Freitagnachmittag kommt zu Hause ihre Putzfrau. Sie schleicht sich hinter deren Rücken unbemerkt in die Wohnung und lässt sich von ihr dann scheinbar schlafend in ihrem Zimmer aufschrecken, als sei sie die ganze Zeit dort gewesen. Ein Telefongespräch mit Frau Kovacz hat mir diese Version bestätigt. Sie sorgt tatsächlich für Ihr Alibi. Und vorher mussten Sie die Gegenstände loswerden. Unter Zeitdruck – an einem sicheren Ort. Aber kein Ort ist sicher. Man glaubt sich unbeobachtet, und dann gibt es doch jemanden, der etwas gesehen hat. Der liebe Gott sieht alles. Hat man Ihnen das früher als Kind nicht auch erzählt, um Sie von Streichen abzuhalten? Manchmal denke ich, neugierige Menschen sehen viel mehr.« Er sammelte mit ausholender Geste die Tüten auf dem Tisch zusammen und ließ sie in seinen Jackentaschen verschwinden.
    Ihre Augen waren jeder seiner Bewegungen gefolgt.
    »Was geschieht damit jetzt?«, fragte sie mit brüchiger Stimme.
    Er gab sich professionell. »Kriminaltechnik. Ermitteln der DNS - und Faserspuren. Bei unbekannter DNS werden wir alle Leute aus dem Umfeld der Toten zum Test bemühen. Bei unbekannten Fasern entsprechende Proben nehmen.«
    »Aus dem Umfeld«, wiederholte sie.
    »Ja, aus dem Umfeld. Zuerst im engeren Kreis. Wenn wir da nicht fündig werden, erweitern wir die Kreise Stück für Stück.«
    »Warum haben Sie mir diese ganze Phantasiegeschichte eben erzählt?«
    »Tja, warum nur?« Sein Lächeln war grausam. Sie stand vor ihm, verzagt und beschädigt. Er setzte sich in Bewegung. Sie begleitete ihn stumm zur Tür.
    Statt einer Verabschiedung kam von ihr nur ein gedanken- verlorenes Nicken, während er laut und zuvorkommend sagte: »Danke noch einmal für Ihre Zeit. Trotz allem haben Sie mir sehr geholfen.«
    Das hörte sie nicht mehr, weil sie hastig die Eingangstür hinter ihm geschlossen hatte.
    Er hatte Mühe, nicht gleich auf dem Gartenweg einen Luftsprung zu vollführen. In gemessenem Schritt verließ er das Grundstück und lief ein Stück auf dem Gehweg entlang, bis er außer Sichtweite war. In Richtung des Wagens von Hoff und Heck machte er ein Handzeichen: Daumen hoch. Von dort kam ein kurzes Aufblinken der Scheinwerfer. Er stellte sich hinter einen Baum auf die andere Straßenseite und beobachtete das Haus. Wenige Atemzüge später meldete sich sein Handy. Hölzinger.
    »Bingo, Kollege! Komm schnell und unauffällig nach hinten in den Garten. Sie werkelt neben der Terrasse.«
    Stephan setzte sich in Bewegung. Klugerweise hatte er das Gartentor nur angelehnt. Mit dem Handy am Ohr schlich er sich um das Haus herum und drückte sich dann an der Ecke gegen die Wand. »Was macht sie gerade?«
    »Sie hat sich vor das Blumenbeet neben der Terrassentreppe gehockt

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