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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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Rückzugsort genügen. Gut, dass sie noch eine andere Bleibe hatte, einen heiligen Zufluchtsort, der sie aufnahm und sie alles vergessen ließ. Sobald sie wieder etwas bei Kräften war, würde sie ihn aufsuchen können. Sie kroch auf Knien zwischen Müll und Kleiderbündeln in Richtung Küche. Dort auf dem Boden fand sie zwischen verschimmelten Nahrungsresten eine halb gefüllte Wasserflasche, trank sie gierig aus, warf sie von sich und ließ sich erschöpft auf den Rücken fallen.
    Sie hörte das Summen der Fliegen, die in Scharen an dem Dachflächenfenster über ihr hochkrochen und mit dumpfen Geräuschen gegen die Glasfläche prallten. Die Kälte des Bodens stach ihr in den Rücken. Sie spreizte ein wenig die Beine und ließ sich gehen. Sie spürte die feuchte Wärme zwischen den Schenkeln hinablaufen, genauso wie damals im Heizungskeller. Das habt ihr nun davon, dass ihr mich vergessen habt! Eure Strafe! Es war ein letztes Fetzchen Macht, über das sie verfügte und das sie auskostete. Dann schloss sie die Lider und ließ die Dunkelheit zurückkommen.

[home]
    Mittwoch, der 17. Oktober
    H eck und Stephan saßen in ihrem Dienstzimmer, jeder an seinem Schreibtisch in die Akten vertieft, die vor ihnen lagen. An Hecks zurückhaltender Begrüßung heute Morgen hatte Stephan genau gespürt, dass etwas Unangenehmes in der Luft lag. War Heck nur allgemein schlechter Laune wegen der geringen Ermittlungserfolge, oder hegte er einen Groll gegen Stephan? Er war sich keiner Schuld bewusst und schrieb weiter an dem Protokoll zu Florian Sauers Aussage.
    »Wissen wir schon ein Ergebnis zu Sauers DNS ?«, fragte Stephan.
    »Morgen«, brummte Heck, dann klappte er plötzlich den vor ihm liegenden Aktendeckel zu und suchte Stephans Blick. Stephan begegnete ihm mit belangloser Miene.
    »Aber wir haben ein anderes Ergebnis«, erklärte Heck.
    »Was denn?«, erkundigte sich Stephan ehrlich interessiert.
    »Von deiner Jacke.«
    So, wie Heck das sagte, klang es nicht gut, und Stephan ging in Gedanken alle Möglichkeiten durch, warum seine Jacke Grund zur Beanstandung geben könnte. Sein Suchergebnis blieb negativ.
    »Fällt dir wirklich nichts dazu ein?«, fragte Heck, und sein Ton klang, als hätte er sich gerade danach erkundigt, ob Stephan den Mord zu gestehen gedenke.
    Stephan zuckte ahnungslos mit den Schultern und begegnete Hecks scharfem Blick mit möglichst unschuldiger Miene.
    »Dann erkläre mir doch bitte einmal, wie es kommt, dass die KTU an deiner Jacke diese roten Katzenhaare gefunden hat, die wir vereinzelt dort in dem Wohnzimmer und an der Toten hatten?«
    »Ich habe mich vermutlich damit kontaminiert, als ich mich auf den Teppich kniete und an der Toten dran war«, erklärte Stephan.
    Heck schüttelte heftig den Kopf. »Dann hättest du die Haare an den Knien oder außen an deiner Jacke. Die Katzenhaare waren aber vor allem innen im Kragen! Innen! Das heißt, du hattest mit dieser verdammten Katze bereits vorher Kontakt. Welche Verbindung gibt es zwischen dir und der Toten? Was war das für eine Reaktion, die du am Tatort zeigtest? Tut mir leid, Kollege, aber ich werde den Verdacht nicht los, dass du auf irgendeine Weise – ob dummer Zufall oder nicht – mit drin hängst! Und du weißt, was das heißt!«
    Stephan wurde blass. Er stammelte: »Ich hatte anfangs die Tote mit einer Frau verwechselt, die ich kannte, äh, kenne.«
    »Das hattest du mir schon einmal erklärt. Aber wieso gibt es die gemeinsame Spur mit den Tierhaaren? Es gab übrigens nur einen Ort in dieser Wohnung, an dem wir ebenso viele von diesen Katzenhaaren gefunden haben wie bei dir, und zwar an einer Damenjacke, die im Flur hing und wohl der Toten gehörte. Irgendwo muss diese Özlem Onurhan gewesen und mit dieser Katze zusammengetroffen sein. Ein Ort, an dem vielleicht auch du dich aufgehalten hast. Mensch, denk mal nach! Bist du der Onurhan schon einmal irgendwo begegnet? Habt ihr gemeinsame Bekannte, die eine Katze haben? Arbeitet ihr ehrenamtlich für dasselbe Tierheim? Irgendwas muss dir doch dazu einfallen!«
    Stephan starrte regungslos vor sich hin und hoffte, dass Heck nicht bemerkte, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. War die Erklärung vielleicht ganz einfach, und diese Özlem Onurhan kannte Maren, hatte sie in ihrer Wohnung besucht und war dort auf Garfield getroffen. Ein irrer Zufall! Er würde Maren unauffällig danach fragen müssen.
    Heck redete weiter:
    »In deiner Jacke waren übrigens nicht nur die Katzenhaare, sondern auch

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