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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Marshmallows kleben sah. Er wollte sie wahrscheinlich bloß mit niemandem teilen.
    Er goss Milch in den Topf, fügte Kakao und Zucker hinzu und verrührte alles zu einer Paste, bevor er noch etwas Milch dazugab. Mr Butternut machte ziemlich guten Kakao.
    »Und was geschah dann?«
    »Nichts. Hier ist halt nicht dauernd was los wie in der Stadt.«
    Als er es sagte, hielt er mir den Rücken zugewandt, und ich merkte an dem Knirschen und an seiner Armbewegung, dass er heimlich die Marshmallows in seine Tasse tat.
    »Ich meine, was glauben Sie, wo das Auto hingefahren ist?«
    »Hier geht’s bloß noch zum Brokedown House, und da wohnt außer Gespenstern ja keiner.« Er lachte leise und wackelte dabei wie ein Wackelpudding. »Bloß Calhoun-Spukgestalten. Früher mal, da haben die Randalls alle da weiter unten an der Straße gewohnt, Bud Randall war einer, und dann gab’s da noch …«
    Wie schon beim letzten Mal erzählte er wieder die Geschichte, wer früher hier alles gelebt hatte. Alte Leute mussten sich wahrscheinlich immer der Vergangenheit vergewissern, um zu sehen, ob sie auch wirklich geschehen war.
    »Sie haben den Wagen aber zurückkommen hören.«
    »Hmm.«
    Ich wartete. »Ja?«
    »Der kam nicht zurück.«
    »Haben Sie sich denn nicht gewundert?«
    Er verteilte den Kakao gleichmäßig auf die beiden Tassen. »Hmm.« Er trug die Tassen zu den Sesseln hinüber, wobei er seine auf einem Tischchen und von seiner Sessellehne etwas verdeckt so abstellte, dass ich die weißen Kringel der schmelzenden Marshmallows nicht sehen konnte.
    Ich seufzte. »Und …?«
    »Gar nichts. Mit Sich-Wundern hat noch keiner einen Blumentopf gewonnen.«
    »Dann muss der Wagen zum Brokedown House gefahren sein und ist vielleicht immer noch dort.« Die Vorstellung, dass jemand wie Morris Slade sich überhaupt in diesem Haus aufhielt, geschweige denn eine ganze Nacht darin verbrachte, war lachhaft, bloß dass mir überhaupt nicht zum Lachen zumute war.
    »Kann sein.« Ich wusste, dass er das Marshmallow gerade von der Oberfläche seines Kakaos schlürfte.
    »Kommen Sie!« Er sollte ruhig denken, ich nahm schlicht und einfach an, dass er mich begleiten würde. Ich hatte nicht vor, ganz allein ins Spukhaus zu gehen.
    »Ich hab meinen Kakao noch nicht ausgetrunken!«
    Er blieb sitzen bis zum letzten Tropfen. Ich hatte gute Lust, ihm die Ohren lang zu ziehen.
    »Na, jedenfalls«, sagte er, »versteh ich gar nicht, wieso du da unbedingt hinsausen willst. Letztes Mal hast du dich verirrt, wenn mir mein Gedächtnis keinen Streich spielt.«
    »Tut es aber. Sie haben sich verirrt.«
    Wir stritten uns ein Weilchen herum, während er seine leere Tasse hinstellte und dann ächzend aufstand, um zu einem Tisch hinüberzugehen und seinen Wurzelholzstock zu holen.
    »Vergessen Sie die Taschenlampe nicht«, sagte ich.
    »Warum? Ist doch noch hell am Tag.«
    Sonst würde ich auch auf keinen Fall zum Brokedown House gehen. »Sie wissen doch, was das für ein Dickicht ist. Im Wald ist es stockfinster.« Wenn es so wäre, würde ich gar nicht gehen. »Kommen Sie.«
    Als die Fliegengittertür hinter uns zuknallte, wollte er wissen, wieso einen manche Leute eigentlich nicht einfach in Ruhe lassen konnten.

52. KAPITEL
    Wir blieben beide gleichzeitig stehen. Ich glaube, uns war beiden klar: Dass das Auto dort stand, verhieß nichts Gutes. Ich will Brokedown House nicht als Sackgasse sehen, als Endpunkt, wenngleich es das für einige Leute doch gewesen war, für Iris Devereau etwa und ihren Verlobten, Jamie Makepiece.
    Ich durchforstete mein Gedächtnis nach einer Straße, irgendeiner Straße, die auf der anderen Seite hinausführte, bis mir die alte einfiel, die von hier nach Spirit Lake führte, direkt an den See. »Mr Butternut, gibt’s da nicht eine alte Straße zwischen hier und dem Spirit Lake?«
    »Auf der stehn wir grade. Eine halbe Meile von hier ist die aber fast ganz zugewachsen.«
    Keine Ahnung, wieso ich wollte, dass da eine Straße war. Der rote Sportwagen war jedenfalls nicht darauf gefahren.
    »Na, dann schaun wir doch einfach mal.«
    Zur Abwechslung ergriff einmal er die Initiative und nicht ich. Ich wollte überhaupt nicht hinschauen, ich hatte Angst. Aber nach meinem ganzen Gequassel und Geschmeichel konnte ich auf keinen Fall kneifen.
    Mr Butternut stand bereits beim Wagen, als ich ihn einholte. Es war nichts darin, nur Wasser, das sich unter dem Armaturenbrett gesammelt hatte, vermutlich von dem Regenschauer am frühen Morgen. Über den

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