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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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denn, was passiert ist?«
    Kläng, kläng, klingklingklingkling – k-l-ä-n-g . Es hörte sich an wie ein Mischmasch von Tamburinen, als ob der Pick-up die Frage beantwortete. Das hätte vermutlich auch gereicht.
    Er sagte: »Zwei Männer, zwei Schusswaffen. Beide ziehen. Einer stirbt.«
    »Wo ist dann die andere Waffe?«
    »Die hat der Schütze mitgenommen.«
    »Okay, du behauptest also, es ist Morris Slade.«
    »Hört sich ganz danach an.« Kläng. Pause. »Eins ist interessant: Wieso hat dieser Ralph Diggs nicht nach seiner Mutter geforscht? Dachte der, bloß sein Vater hätte die verrückte Idee zu dieser ganzen Entführungsgeschichte gehabt? Und diese – wie hieß sie gleich?«
    »Imogen.«
    »Die hätte gar nichts damit zu tun gehabt?«
    Dwaynes körperlose Stimme hatte etwas Gespenstisches, als wäre er weggegangen und hätte nur genug Wörter dagelassen, damit ich dachte, er wäre immer noch da, lang genug, damit er sich davonmachen konnte. Mit ihm reden, während er die Unterseite eines Fahrzeugs inspizierte, war anstrengend. Ich sprang vom Reifenstapel, nahm das Rollbrett von Du-da, rollte es seitlich an den Pick-up heran und legte mich drauf.
    Dwayne wandte den Kopf her. Eine Arbeitslampe war am Fahrgestell aufgehängt, die lange Schatten über sein Gesicht warf. »Was soll das?«
    »Ich hab’s satt, mit einem Pick-up zu reden. Ich leg mich jetzt einfach hier hin.«
    Er brummte etwas, rollte sich hervor und stand auf. Ich ebenso. Dann nahm er den alten öligen Lappen aus der Hosentasche und wischte sich die Hände ab.
    »Was ist das Problem mit meiner Theorie?«, wollte ich wissen.
    Sorgfältig wischte er jeden Finger ab. »Das Problem ist, dass du in diesen Showdown einen Dritten einbeziehst. Das führt bloß zu Komplikationen, besser erklären tut es nichts.« Er stopfte den Lappen in seine Hosentasche und zog ein Päckchen Fruchtkaugummi hervor.
    Ich schüttelte den Kopf, als er mir einen Streifen anbot. »Was wäre denn Morris Slades Motiv?« Allmählich gingen mir die Erklärungen aus. »Wieso sollte ein Vater seinen eigenen Sohn ermorden?« Ich schlug einen selbstgerechten Ton an.
    »Das fragst du nach eurer Medea ? Obwohl ich zugebe, dass das Motiv sehr viel überzeugender scheint, wenn der Sohn derjenige ist, der den Vater erschießt.« Er steckte sich einen Kaugummistreifen in den Mund und lehnte sich nach hinten gegen den Pick-up.
    Das gestand er zumindest zu. Ich sagte: »Vergiss nicht, Ralph kam mit einer Waffe.«
    Er zuckte die Achseln. »Sein Dad aber auch … wenn es sein Dad ist.«
    Den Zusatz mit dem »Wenn« ignorierte ich. »Was macht Morris Slade – er schützt die Person, die ihm wahrscheinlich das Leben gerettet hat. Und Ralph Diggs erschossen hat, als der gerade losfeuern wollte.«
    Dwayne verschränkte die Arme, kaute seinen Kaugummi und musterte mich eindringlich. »Glaubst du wirklich, jemand würde so weit gehen, um einen anderen zu schützen?«
    »Bestimmt. Wie Ben Queen, der für Fern den Kopf hingehalten hat. Klar kann jemand so weit gehen. Würdest du auch.«
    Dwayne lachte. »Für dich vielleicht, meinst du?«
    »Ich meine natürlich nicht für mich.«
    Natürlich meinte ich für mich.
    Ich ging.
    Gemischten Salat sollte ich machen, also schmiss ich gemischten Salat zusammen, haute Salatblätter auf Salatteller, knallte Kirschtomaten auf die Blätter, pfefferte Zwiebelscheibchen drauf.
    »Was machst du da?« Es war Vera – wie die schaumgeborene Venus auf dem Bild oder so ähnlich, ihr Missfallen darüber bekundend, dass ich noch lebte.
    »Nichts«, erwiderte ich etwas sauertöpfisch.
    »Mach aber unbedingt mit dem Roquefortdressing ein Kreuz drauf.«
    Darauf fielen mir schlagartig so viele Erwiderungen ein, dass sie schon weg war, bevor ich mir meinen Favoriten ausgesucht hatte. Ich machte mit dem Roquefortdressing also Kreuze, außer bei Miss Bertha. Weil die Roquefort verabscheute, ließ ich einen Teelöffel von dem Dressing in die Mitte ihres Salates gleiten, versteckte es unter den Salatblättern und übergoss alles reichlich mit French Dressing.
    Während ich damit beschäftigt war, schlüpfte Ree-Jane herein, oder besser gesagt, sie schwebte eher wie ein Dunstschleier heran. Das war eindeutig ihr »Fotomodellgang«. Übers Gesicht zuckte ihr ein irres Lächeln, das der kurze Abstecher in die Nervenklinik nicht richtig hatte abstellen können. Auch dass Ralph Diggs erschossen worden war, hatte keine anhaltende Wirkung gehabt. Man hätte meinen können, sie hatte

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