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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Du weißt schon, der den Gästen bei Problemen und Fragen hilft.«
    »Dann müssen die aber in die große Garage kommen, wenn sie dich was fragen wollen.«
    Will verdrehte bloß die Augen. Ralph behielt sein Lächeln auf, das ich inzwischen ziemlich kalt fand.
    »Was für Sachen denn? Abgesehen davon, dass du hin und wieder mal einen Koffer trägst, machst du doch gar nichts. Hat Mrs Davidow dir denn wenigstens eine Jobbeschreibung gegeben, Ralph?«
    Der Kerl schenkte mir ein schiefes Lächeln. Und warf mir wieder diesen Glasscherbenblick zu. Doch er ließ sich immerhin zu einer Antwort herab. »Allgemein aushelfen. Koffer. Küche. Speisesaal. Lebensmittel einkaufen, weil ich ein Auto habe.«
    Es sah nicht so aus, als wollte er uns mit dem Auto groß beeindrucken. Ich nahm an, es war der alte schwarze Chevy, an dem ich unterwegs vorbeigekommen war. In meinem Alter würde mich allerdings jedes Auto beeindrucken – solange es mir gehörte, meine ich.
    Er sagte: »Und was machst du?«
    »Ich arbeite. Sieben Tage die Woche, drei Mahlzeiten am Tag. Kellnern.«
    »Wow.« Das sagte er ohne Nachdruck, ziemlich sarkastisch.
    Ralph konnte mich nicht leiden, wahrscheinlich weil er kapierte, dass ich ihn nicht leiden konnte und ihm folglich Ärger machen würde. Seine Abneigung schien aber etwas zielgerichteter zu sein. »Ihr entschuldigt mich«, sagte er, »ich muss meine Sachen aus dem Auto holen.«
    Wir verabschiedeten uns, ich sah ihn weggehen und schlich ihm kurzerhand hinterher. Draußen vor der Garage schaute ich zu, wie er zu seinem Chevy hinübermarschierte und den Kofferraum öffnete. Er nahm zwei billig aussehende Koffer und eine Hutschachtel heraus.
    Eine Hutschachtel. Als Page.
    Wow . Da war ich echt platt.
    Ich sah zu, wie er die Sachen wegtrug. Den kleineren Koffer hatte er unterm Arm, den größeren hielt er beim Griff, als hätte er bereits Erfahrung als Page. Die Hutschachtel hielt er in der anderen Hand.
    Er steuerte auf die Tür im hinteren Flügel zu, und ich fragte mich, ob Mrs Davidow ihn im zweiten Stock einquartiert hatte, wo die Geringsten von uns ihre Zimmer hatten. Mit anderen Worten, bis auf mich war der zweite Stock unbewohnt.
    Ich folgte ihm in sicherem Abstand. Er ging durch die Tür zur Hintertreppe am Ende eines kurzen Flurs. Ich vergewisserte mich, dass ich seine Füße nach oben gehen hörte, bevor ich meinen eigenen Fuß auf die Stufe setzte. Oben am Treppenabsatz zum ersten Stock hielt er kurz an und ging dann den langen Korridor entlang.
    Er sollte demnach nicht im zweiten Stock schlafen, stellte ich dankbar fest.
    Sein Zimmer befand sich auf demselben Flur wie das von Will. Das von Mill lag daneben. Ich linste um die Ecke und sah, wie Ralph Diggs ein Stück weiter ein Zimmer betrat, es war Nummer 51.
    Diese ganze Verfolgerei, bloß um seine Zimmernummer rauszukriegen, war natürlich unnötig. Es passte aber zu einem Mann wie Ralph Diggs, dass er verfolgt wurde, fand ich.
    Oberhalb des Erdgeschosses war es im Hotel oft ganz still, weil wir ja so wenig Gäste hatten. Ich hörte also, wie Ralph Diggs ein paar Minuten später aus seinem Zimmer kam. Wenn er wieder die Hintertreppe nehmen würde, wäre ich aufgeflogen, doch dann entfernten sich seine Schritte. Er ging wohl über die Treppe nach unten, die vor dem Speisesaal endete.
    Ich wartete ab, bis die Stille noch stiller wurde, als hätte sich eine dicke Nebelschicht gesenkt, um jedes Geräusch zu dämpfen. Dann schlich ich mich über den Flur in Nummer 51 auf der rechten Seite. Die Tür stand, wie ich überrascht feststellte, offen oder jedenfalls halb offen. Ich fasste hin und stieß sie ganz sacht auf. Die Koffer, ebenfalls geöffnet, lagen auf dem Bett. Es war, als hätte Ralph Diggs nichts auf der Welt zu verbergen.
    Bis auf die Hutschachtel. Die sah ich nicht. Die musste er in den Schrank gestellt haben.
    Ich stand da, kratzte mich am Ellbogen und überlegte hin und her. Ich hatte noch bei keinem Gast das Zimmer durchsucht, nie versucht, mir ihre Habseligkeiten anzusehen, Schubladen geöffnet, unter Betten oder in Schränke geguckt. Das lag hauptsächlich daran, dass unsere Gäste langweilig waren und vermutlich nichts hatten, was ich sehen wollte.
    Aber diese Hutschachtel, die interessierte mich schon. Es gab einen Film mit dem Titel Night Must Fall . Darin spielte Robert Montgomery einen Pagen in einem großen Hotel, der eine Hutschachtel herumtrug. Er bezirzte eine reiche alte Dame im Rollstuhl. Bis sie ihn zu sich in ihr

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