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Das Versprechen

Das Versprechen

Titel: Das Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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kurzes Haar bewegte sich im leichten Wind, als hätten selbst die Elemente sie aufgegeben. Cotton trug sie wieder ins Haus.
    Es war an einem strahlenden Sommermorgen ein paar Tage später. Lou hatte gerade die Kühe gemolken und kam mit vollen Kannen aus der Scheune. Sie blickte über die Felder und blieb wie angewurzelt stehen. Dann lief sie so schnell zum Haus, dass die Milch überschwappte. Sie setzte die Kannen auf die Veranda, stürmte ins Haus, an Louisa und Eugene vorbei, und schrie aus vollem Halse. Sie platzte ins Zimmer ihrer Mutter, und dort saß Oz neben ihr und bürstete ihr Haar.
    Lou war atemlos. »Es funktioniert! Es ist grün! Alles. Das Getreide kommt schon raus. Oz, sieh doch selbst!« Oz stürmte so schnell hinaus, dass er ganz vergaß, dass er nur Unterwäsche trug. Lou blieb in der Mitte des Zimmers zurück; ihre Brust hob sich, und sie lächelte breit. Als ihr Atem sich ein wenig beruhigt hatte, ging sie zu ihrer Mutter, setzte sich und ergriff ihre schlaffe Hand. »Vielleicht interessiert es dich ja. Denn wir haben wirklich hart geschuftet.« Lou blieb noch eine Minute lang schweigend sitzen, dann hatte ihre Aufregung sich gelegt, und sie ließ Amandas Hand los und ging.
    An diesem Abend arbeitete Louisa, wie an so vielen anderen, in ihrem Schlafzimmer an der pedalbetriebenen SingerNähmaschine, die sie vor neun Jahren für zehn Dollar auf Ratenzahlung erstanden hatte. Sie wollte den Kindern nicht verraten, was sie nähte, wollte sie nicht einmal raten lassen. Doch Lou wusste, dass es etwas für sie und Oz war, und kam sich deshalb wegen der Prügelei mit Billy Davis noch schäbiger vor.
    Am nächsten Abend ging Oz nach dem Essen zu seiner Mutter, und Eugene begab sich in die Kornkammer, um Sensen zu reparieren. Lou spülte ab und setzte sich dann zu Louisa auf die Veranda. Eine Zeit lang wagte keiner zu reden. Lou beobachtete zwei Meisen, die aus der Scheune flogen und sich auf den Zaun setzten. Ihr graues Gefieder und ihre auffälligen Kämme waren prachtvoll, aber das Mädchen interessierte sich kaum dafür.
    »Das mit der Schlägerei tut mir leid«, sagte Lou schließlich und atmete erleichtert auf, weil sie die Entschuldigung endlich herausgebracht hatte.
    Louisa blickte zu den beiden Maultieren in ihrem Pferch hinüber. »Gut zu wissen«, sagte sie, mehr nicht. Langsam ging die Sonne unter; der Himmel war kaum bewölkt und ziemlich klar. Eine große Krähe zog einsam ihre Kreise, ließ sich wie ein gemächlich dahintreibendes Blatt von einem Aufwind nach dem nächsten erfassen.
    Lou nahm ein bisschen Erde in die Hand und beobachtete ein Bataillon von Ameisen, das über ihre Hand zog. Die Geißblattranken standen in voller, duftender Pracht und erfüllten die Luft gemeinsam mit den Wohlgerüchen der Zimtrosen und der Gewürznelken, und die purpurne Wand der Passionsblumen spendete der Veranda pflichtbewusst ihren Schatten. Kletterrosen hatten sich um die meisten Zaunpfosten geschlungen und sahen wie kleine feurige Explosionen aus.
    »George Davis ist ein schrecklicher Mann«, sagte Lou.
    Louisa lehnte sich mit dem Rücken an das Verandageländer. »Schindet seine Kinder wie die Maulesel und behandelt seine Maulesel besser als seine Kinder.«
    »Billy hätte nicht so gemein zu mir sein sollen«, sagte Lou und grinste. »Es war schon komisch, wie er aus dem Baum fiel, als er die tote Schlange sah, die ich in seine Brotdose getan hatte.«
    Louisa lehnte sich nach vorne und schaute das Mädchen neugierig an. »Hast du sonst noch was in der Dose gesehn?«
    »Sonst noch was? Was denn?«
    »Was zu essen.«
    Lou war verwirrt. »Nein, die Dose war leer.«
    Louisa nickte langsam, lehnte sich wieder zurück und schaute nach Westen, wo die Sonne langsam hinter die Bergspitzen kroch und den Himmel rosarot färbte.
    »Weißt du, was ich komisch finde?«, sagte Louisa. »Dass Kinder glauben, sie müssten sich schämen, weil ihr Vater es für überflüssig hält, ihnen was zu essen mitzugeben. Sie schämen sich so sehr, dass sie ’ne leere Brotdose mit zur Schule nehmen und so tun, als wär was drin, damit niemand merkt, dass sie in Wirklichkeit gar nichts zu essen haben. Findest du das auch komisch?«
    Lou schüttelte den Kopf und starrte auf ihre Füße. »Nein.«
    »Ich weiß, ich hab nie mit euch über euren Pa gesprochen. Aber ich fühle mit dir und Oz, und ich liebe euch beide sogar noch mehr, weil ich diesen Verlust wettmachen will, obwohl ich weiß, dass ich ’s nicht kann.« Sie legte eine

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