Das Versprechen
Hand auf Lous Schulter und drehte das Mädchen zu sich herum. »Aber ihr hattet ’nen guten Vater. Einen Mann, der euch lieb hatte. Ich weiß, das macht’s euch noch schwerer, damit fertig zu werden und das ist ein Segen und ein Fluch zugleich, den wir alle in diesem Leben ertragen müssen. Billy Davis hingegen muss Tag für Tag mit seinem Vater leben. Da möcht ich lieber in eurer Haut stecken. Und Billy ganz bestimmt auch. Ich bete jeden Tag für alle Kinder. Und du solltest das auch tun.«
KAPITEL 23
Die alte Pendeluhr hatte gerade Mitternacht geschlagen, als Kiesel an Lous Fenster geworfen wurden. Das Mädchen war mitten in einem Traum, der unter dem plötzlichen Scheppern zerstob. Lou trat ans Fenster und schaute hinaus, sah zunächst aber nichts. Dann entdeckte sie den Störenfried. Sie öffnete das Fenster.
»Was fällt dir ein, Diamond Skinner?«
»Komm mit«, sagte der Junge, der neben seinem treuen Hund stand.
»Was hast du vor?«
Statt einer Antwort zeigte er auf den Mond. Er leuchtete heller, als Lou ihn je zuvor gesehen hatte. Die Sicht war so klar, dass sie dunkle Flecke auf seiner Oberfläche ausmachen konnte.
»Vielen Dank, den Mond kann ich mir auch allein anschauen«, sagte sie.
Diamond lächelte. »Nee, nich’ nur das. Hol deinen Bruder. Nun beeil dich. Wird dir Spaß machen, wo wir hingehn. Wirst schon sehn.«
Lou schaute unsicher drein. »Wie weit ist es denn?«
»Nicht sehr weit. Hast doch keine Angst im Dunkeln, oder?«
»Rühr dich nicht von der Stelle«, sagte sie und schloss das Fenster.
Fünf Minuten später hatten Lou und Oz sich angezogen und aus dem Haus geschlichen und standen bei Diamond und Jeb. Lou gähnte. »Wenn das keinen Spaß macht, Diamond, wirst du ’s mit der Angst kriegen.«
Mit zügigem Schritt machten sie sich auf in südliche Richtung. Diamond plapperte die ganze Zeit lebhaft vor sich hin, wollte ihnen aber unter keinen Umständen verraten, wohin der Weg sie führte. Lou gab es schließlich auf und betrachtete die nackten Füße des Jungen, der soeben gewandt über einen scharfkantigen Felsen schritt. Lou und Oz trugen Schuhe.
»Bekommst du eigentlich keine wunden oder kalten Füße, Diamond?«, fragte Lou, als sie auf einer kleinen Hügelkuppe eine kurze Verschnaufpause einlegten.
»Wenn Schnee fällt, dann zieh ich vielleicht mal Schuhe oder so was an. Aber nur wenn der Schnee mir bis zum Hals reicht. Kommt jetzt weiter.«
Sie setzten den Weg fort. Zwanzig Minuten später vernahmen Lou und Oz das Rauschen schnell fließenden Wassers, und kurz darauf hob Diamond eine Hand, und sie blieben stehen. »Hier müssen wir langsam gehn«, sagte er. Lou und Oz folgten ihm dichtauf über Felsen, die mit jedem Schritt glitschiger zu werden schienen, und der Lärm des rauschenden Wassers schien mittlerweile aus allen Richtungen zu kommen, als würde eine Springflut auf sie zurollen. Lou nahm Oz bei der Hand, denn die Situation kam ihr nun doch ein wenig bedrohlich vor, und sie vermutete, dass ihren Bruder bereits das kalte Entsetzen gepackt hatte. Sie ließen mehrere hoch aufragende Birken und triefend nasse Trauerweiden hinter sich, und dann blickten Lou und Oz ehrfürchtig nach oben.
Der Wasserfall war fast dreißig Meter hoch. Er ergoss sich aus einem Überhang aus verwittertem Kalkstein und stürzte geradewegs hinunter in einen Teich aus schäumendem Wasser, dessen Ablaufrinne sich in die Dunkelheit schlängelte. Plötzlich wurde Lou klar, wie Diamond das mit dem Mond gemeint hatte. Er schien so hell, und der Wasserfall und der Teich waren so perfekt platziert, dass die drei von einem Meer aus schimmerndem Glanz umgeben waren. Das reflektierte Mondlicht war so stark, dass sich die Nacht in Tag verwandelt zu haben schien.
Sie wichen ein wenig zurück, an eine Stelle, von der aus sie alles sehen konnten, wo der Lärm des Wasserfalls jedoch nicht mehr so stark war, sodass sie nicht mehr schreien mussten, um das Tosen und Donnern zu übertönen.
»Nebenfluss vom McCloud«, sagte Diamond. »Aber kommt von höher als die meisten.«
»Das sieht aus, als würde Schnee nach oben fallen«, sagte Lou erstaunt, als sie sich auf einen moosüberwucherten Stein setzte. Bei dem hoch aufspritzenden, schäumenden Wasser, das von dem kräftigen Licht erfasst wurde, sah es tatsächlich so aus, als würde fallender Schnee irgendwie in den Himmel zurück rieseln. An einer Ecke des Teichs leuchtete das Wasser besonders hell. Sie gingen dort hinüber.
»Genau hier hat Gott
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