Das Versprechen
nich’.«
»Ach, Diamond, erzähl mir doch nichts. Du hast es Cotton gegenüber doch so gut wie gestanden.«
»Ich hab Bohnen in den Ohren. Ich kann dich leider nich’ verstehn.«
Eine beleidigte Lou zeichnete mit der Fußspitze Kreise in den Erdboden. »Hör mal, wir müssen jetzt zur Schule, Diamond. Kommst du mit?«
»Ich geh nich’ in die Schule«, sagte er, klemmte sich die nicht angezündete Zigarette zwischen die Lippen und wurde
damit augenblicklich zum Erwachsenen.
»Wieso zwingen deine Eltern dich nicht, zur Schule zu gehen?«
Statt einer Antwort pfiff Diamond nach Jeb, und die beiden liefen davon.
»He, Diamond«, rief Lou ihm nach.
Doch Junge und Hund liefen nur noch schneller.
KAPITEL 21
Lou und Oz stürmten über den leeren Hof und ins Schulgebäude. Atemlos eilten sie an ihre Plätze.
»Tut mir leid, dass wir uns verspätet haben«, sagte Lou zu Estelle McCoy, die bereits an die Tafel schrieb. »Wir haben noch auf dem Feld gearbeitet, und ...« Lou blickte sich um und stellte fest, dass gut die Hälfte der Bänke leer war.
»Ist schon gut, Lou«, sagte ihre Lehrerin. »Die Saatzeit. Ich bin froh, dass ihr es überhaupt geschafft habt.«
Lou setzte sich auf ihren Platz. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass auch Billy Davis da war. Er sah heute so wohlerzogen aus, dass Lou sich zur Vorsicht gemahnte. Als sie das Pult öffnete, um ihre Bücher zu verstauen, konnte sie den Aufschrei nicht unterdrücken. Die zusammengeringelte Schlange in ihrem Pult - eine fast einen Meter lange, braun und gelb gebänderte Mokassinschlange - war tot. Doch auf dem Papier, das um die Schlange gewickelt war, standen die Worte »Yankee, geh heim« - und das erfüllte Lou trotz ihrer Abscheu mit heißer Wut.
»Lou«, rief Mrs McCoy von der Tafel her, »stimmt etwas nicht?«
Lou schloss das Pult und schaute zu Billy hinüber, der die Lippen schürzte und angestrengt in sein Buch starrte. »Alles in Ordnung«, sagte Lou.
Es war Zeit fürs Mittagessen, und die Luft war kühl, doch die Sonne wärmte, und die Kinder versammelten sich draußen, um zu essen, und holten ihre Schmalzdosen und andere Behältnisse hervor. Fast jeder hatte irgendetwas dabei, um seinen oder ihren Magen zu füllen, und wenn es nur Maisbrot- oder Zwiebackreste waren; viele hielten kleine Kannen mit Milch oder Gläser voll Brunnenwasser in den Händen. Die Kinder setzten sich auf den Boden, um zu essen, zu trinken und zu plaudern. Einige der jüngeren liefen im Kreis herum, bis ihnen so schwindlig wurde, dass sie hinfielen. Dann kamen die älteren Geschwister, hoben sie auf und sorgten dafür, dass sie etwas aßen.
Lou und Oz saßen im Schatten des Walnussbaumes; die leichte Brise spielte mit den Haarspitzen des Mädchens. Oz biss herzhaft in seinen gebutterten Zwieback und trank das kalte Brunnenwasser, das sie in einer Feldflasche mitgebracht hatten. Lou hingegen aß nichts. Sie schien auf irgendetwas zu warten und streckte die Glieder, als würde sie sich auf ein Rennen vorbereiten.
Billy Davis schlenderte zwischen den kleinen Gruppen der Esser hindurch und schwang dabei übertrieben seine hölzerne Brotdose, die einst ein kleines Nagelkästchen gewesen war, durch das man einen Draht gezogen hatte, der als Griff diente. Er blieb bei einer Gruppe stehen, sagte etwas, lachte, schaute zu Lou hinüber und lachte erneut. Schließlich kletterte er auf die tiefer hängenden Äste eines Silberahorns und öffnete seine Brotdose. Er schrie auf, fiel rückwärts vom Baum und landete voll auf dem Kopf. Die Schlange lag auf ihm, und Billy wälzte sich herum, um sie abzuschütteln, wobei er wie ein abgestochenes Schwein quiekte. Dann erkannte er, dass es seine eigene tote Mokassinschlange war, welche jemand unter den Deckel der Dose geklemmt hatte, die er noch immer in der Hand hielt. Als er verstummte, stellte er fest, dass alle auf dem Schulhof lauthals über ihn lachten.
Alle außer Lou, die mit verschränkten Armen dasaß und so tat, als würde sie das Schauspiel überhaupt nicht beachten. Dann aber lächelte sie breit und so strahlend wie die Sonne. Als Billy aufstand, erhob Lou sich ebenfalls. Oz schob sich den Zwieback in den Mund, trank schnell den Rest des Wassers und flitzte in die Sicherheit hinter dem Walnussbaum. Hände wurden zu Fäusten geballt, Lou und Billy trafen sich in der Mitte des Schulhofs. Die Menge schloss sich um sie, und Yankee Girl und Mountain Boy läuteten die zweite Runde ein.
Lou, diesmal mit einer Risswunde auf der
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