Das Versprechen
Louisa das Kind in den Armen und sagte zu Sally, sie könne sich ausruhen, es wäre vorbei.
Louisa schickte ein Dankgebet zum Himmel, als sie sah, dass es ein Junge war. Er war jedoch erschreckend klein, und seine Farbe war besorgniserregend. Sie ließ Lou und Billy Wasser heiß machen, während sie die Nabelschnur an zwei Stellen mit Zwirn abband und sie dann zwischen den beiden Knoten mit einer in Wasser ausgekochten Schere durchschnitt. Sie wickelte die Schnur in eins der sauberen, trockenen Tücher, die Lou im Backofen erhitzt hatte, und band ein weiteres dieser Tücher auf die linke Seite des Babys. Mit einem ölgetränkten Lappen säuberte sie das Neugeborene, dann wusch sie es mit Seife und warmem Wasser. Am Ende wickelte sie den kleinen Jungen in eine Decke und reichte ihn seiner Mutter.
Louisa legte eine Hand auf Sallys Bauch und fühlte, ob er hart und klein war, wie sie es hoffte. Wäre er groß und weich, könne das auf innere Blutungen hinweisen, erklärte sie Lou mit leiser Stimme. Doch der Leib war klein und hart. »Sehr schön«, sagte sie zu Lou, die erleichtert aufatmete.
Als Nächstes nahm Louisa das Neugeborene und legte es aufs Bett. Sie holte eine kleine Wachsampulle aus ihrem Fetteimer und entnahm ihr eine kleine Glasröhre. Sie wies Lou an, die Augen des Babys weit zu öffnen, und träufelte in jedes zwei Tropfen einer Flüssigkeit. Das Baby bewegte sich und fing an zu schreien.
»Das tut man, damit das Baby nicht blind wird«, erklärte sie Lou. »Travis Barnes hat mir das Mittel gegeben. Das Gesetz verlangt es so.«
Mithilfe der Kannen und Töpfe voll heißen Wassers und einiger Decken errichtete Louisa so etwas wie einen Brutkasten und legte das Baby hinein. Die Atmung des kleinen Jungen war so schwach, dass Louisa immer wieder eine Gänsefeder vor seinen Mund hielt, um zu beobachten, wie der Luftstrom die feinen Flaumfädchen bewegte.
Eine halbe Stunde später drückten die letzten Wehen die Nachgeburt hinaus, und Louisa und Lou entfernten sie, wechselten noch einmal die Bettwäsche und wuschen die Mutter zum letzten Mal, wobei sie die letzten Tücher aus dem Backofen benutzten.
Zum Schluss holte Louisa einen Bleistift und ein Blatt Papier. Sie gab beides an Lou weiter und bat sie, das Datum und die Uhrzeit aufzuschreiben. Louisa zauberte eine alte Taschenuhr aus den Falten ihrer Hose und nannte Lou die genaue Geburtszeit.
»Wie möchtest du das Baby nennen, Sally?«, fragte Louisa.
Sally blickte zu Lou. »Sie ruft dich Lou. Ist das dein Name, Mädchen?«, fragte sie mit schwacher Stimme.
»Ja. Irgendwie schon«, sagte Lou.
»Dann soll er Lou heißen. Nach dir, mein Kind. Danke schön.«
Lou blickte sie verblüfft an. »Was ist denn mit Ihrem Mann?«
»Dem is’ egal, ob der Kleine ’n Namen hat oder nich’. Ihn interessiert nur, dass es ’n Junge ist und dass er arbeiten kann. Er ist ja noch nich’ mal hier gewesen, um zu helfen. Der Junge heißt Lou - fertig, aus. Schreib’s auf, Mädchen.«
Louisa lächelte, während Lou den Namen Lou Davis niederschrieb.
»Wir geben Cotton den Zettel«, erklärte Louisa. »Er nimmt ihn mit runter zum Gericht, damit jeder erfährt, dass wir auf diesem Berg wieder ein bildschönes Kind gekriegt haben.«
Sally schlief ein, und Louisa saß die ganze Nacht bei Mutter und Sohn und weckte Sally immer dann, wenn Lou Davis zu schreien begann und durstig schmatzte. George Davis ließ sich kein einziges Mal blicken. Sie konnten ihn eine Zeit lang im Haus rumoren hören, und dann schlug die Tür mit einem lauten Knall zu.
Louisa ging einige Male hinaus, um nach den anderen Kindern zu sehen. Sie gab Billy, Jesse und dem anderen Jungen, dessen Namen Louisa nicht kannte, ein kleines Glas Zuckersirup und ein paar Brötchen, die sie mitgebracht hatte. Es tat ihr weh zu sehen, wie gierig die Kinder diese schlichte Mahlzeit verschlangen. Sie schenkte Billy außerdem ein Glas Erdbeergelee und ein Stück Maisbrot für die anderen Kinder, wenn sie aufwachten.
Am späten Vormittag machten sie sich auf den Heimweg. Der Mutter ging es gut, und die Farbe des Babys hatte sich wesentlich gebessert. Der Kleine trank gierig, und er schien eine kräftige Lunge zu haben.
Sally und Billy bedankten sich, und sogar Jesse brachte einen schüchternen Laut über die Lippen. Doch Lou bemerkte, dass der Herd kalt war und dass es nicht nach Essen roch.
George Davis und seine Hilfsarbeiter waren draußen auf dem Feld. Aber ehe Billy ihnen folgte, nahm Louisa den Jungen
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