Das Versprechen
Staub.
»Tut mir leid, dass ich die Schlange in deinem Brotkasten versteckt habe.«
Er blickte sie überrascht an. »Aber ich hab sie zuerst bei dir ins Pult gelegt.«
»Deshalb ist es noch längst nicht in Ordnung, was ich getan habe.«
»Würd jemand das mit Pa machen, würd er ihn umbringen.«
Lou konnte den Schrecken in den Augen des Jungen sehen und schloss Billy Davis auf der Stelle ins Herz.
»Du bist nicht dein Pa. Und du brauchst nicht genauso zu werden.«
Billys Augen flackerten nervös. »Ich hab ihm nicht gesagt, dass ich Miss Louisa hole. Weiß nicht, was er tut, wenn er euch hier sieht.«
»Wir wollen nur deiner Mutter helfen. Das kann ihm doch nicht unrecht sein.«
»Meinste?«
Sie schauten hinauf ins Gesicht von George Davis, der vor ihnen stand, das Hemd mit Pferdeblut und Schleim besudelt, die Arme triefend. Staub wirbelte wie Dampf um seine Füße, als wäre er der leibhaftige Teufel, der soeben der Hölle entstiegen war.
Billy schob sich vor Lou. »Pa. Wie geht’s dem Fohlen?«
»Tot.« Die Art und Weise, wie er es aussprach, ließ Lou innerlich zittern. Er deutete auf sie. »Verdammt noch mal, was soll das?«
»Ich hab sie geholt, dass sie beim Baby helfen. Miss Louisa ist drinnen bei Ma.«
George blickte zur Tür und dann wieder auf Billy. Der Ausdruck in den Augen des Mannes war so schrecklich, dass Lou überzeugt war, er würde sie auf der Stelle umbringen.
»Diese Frau ist in meinem Haus, Junge?«
»Es ist so weit.« Alle starrten zur Tür, wo plötzlich Louisa erschienen war. »Das Baby kommt«, sagte sie.
Davis stieß seinen Sohn zur Seite, und Lou brachte sich mit einem Sprung in Sicherheit, als er zur Tür stürmte.
»Verdammich, Frau, du hast hier nix zu suchen. Runter von meinem Land, sonst schlag ich dir den Kolben meiner Flinte übern Schädel. Und das verdammt Gör kannste gleich mitnehmen.«
Louisa wich keinen Zoll zurück. »Du kannst mir bei dem Baby helfen, du kannst es auch bleiben lassen. Das ist deine Sache. Komm, Lou, und du auch, Billy. Ich werd euch beide brauchen.«
Doch es war klar, dass George sie nicht würde ziehen lassen. Louisa war sehr kräftig für ihr Alter und größer als Davis, aber bei einem Kampf würde sie wohl den Kürzeren ziehen.
Und dann hörten sie den Schrei aus dem Wald. Es war der gleiche Laut, den Lou in der ersten Nacht am Brunnen gehört hatte. Nur war er diesmal noch entsetzlicher, als wäre das, was den Schrei ausstieß, sehr nahe und im Begriff, sich auf sie zu stürzen. Sogar Louisa blickte besorgt in die Dunkelheit.
George Davis machte einen Schritt zurück. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt, als wünschte er sich, ein Gewehr dabeizuhaben. Louisa legte die Arme um die Kinder und zog sie ins Haus. Davis machte keine Anstalten, sie aufzuhalten, rief aber: »Sieh bloß zu, dass es diesmal ein Junge wird. Wenn’s ein Mädchen ist, kannst du ’s gleich krepieren lassen. Hast du verstanden? Ich brauch keine verdammichten Mädchen mehr.«
Während Sally heftig presste, beschleunigte sich Louisas Puls, als sie zuerst den Po des Babys sah, gefolgt von einem Füßchen. Sie wusste, dass sie nicht viel Zeit hatte, um das Baby vollständig herauszuholen, ehe die Nabelschnur zwischen dem Kopf des Babys und Sallys Knochen zerquetscht wurde. Noch während sie überlegte, drückte eine neuerliche Schmerzwelle den anderen Fuß heraus.
»Lou«, sagte sie, »komm schnell her, Kind.« Louisa ergriff die Füße des Babys mit der rechten Hand und hob den kleinen Körper hoch, damit die Kontraktionen der Gebärmutter nicht auch noch das Gewicht des Kindes bewältigen mussten und sich ein besserer Winkel für das Herausrutschen des Kopfes ergab. Sie wusste, dass sie von Glück reden konnten, denn nach so vielen Geburten würde Sally Davis’ Becken nachgiebig genug sein. »Drück, Sally, drück, Liebes!«, rief Louisa.
Louisa nahm Lous Hände und führte sie zu einer Stelle auf Sallys Unterbauch. »Ich muss schnell den Kopf holen«, erklärte sie Lou, »drück so fest du kannst, hier. Hab keine Angst, dem Baby geschieht nichts, die Bauchwand ist fest.«
Lou stützte sich mit ihrem ganzen Gewicht darauf, während Sally schrie und presste und Louisa den Körper des Babys vorsichtig hochzog.
Dabei meldete Louisa die Fortschritte mit lauten Rufen, als gäbe sie die Wassertiefe auf einem Flussschiff bekannt. Jetzt ist der Hals zu sehen, sagte sie, und jetzt das Haar. Und schließlich tauchte der gesamte Kopf auf, und am Ende hielt
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