Das Versprechen
hinauf und blieben stehen. In fünfzehn Meter Entfernung sahen sie Eugene auf dem Weg. Er trug einen leeren Kohleneimer und eine Laterne, und aus seiner Hosentasche ragte eine Dynamitstange.
Diamond sagte: »Eugene is’ unterwegs zum Bergwerk. Da macht er den Eimer voll. Eh’ der Winter kommt, fährt er mit dem Maultiergespann hin und schafft ’ne ganze Ladung Kohlen raus.«
»Toll. Das ist ja fast so interessant, wie jemandem beim Schlafen zuzuschauen«, äußerte Lou.
»Ha! Wart mal ab, bis das Dynamit in die Luft fliegt«, hielt Diamond ihr entgegen.
»Dynamit?«, rief Oz.
Diamond nickte. »Die Kohle steckt tief in den Felsen. Da kommt man mit ’ner Hacke nich’ ran. Man muss sie raussprengen.«
»Ist das nicht gefährlich?«, fragte Lou.
»Nee. Eugene weiß, was er tut. Ich hab’s selbst auch schon gemacht.«
Sie beobachteten von weitem, wie Eugene die Dynamitstange aus der Tasche zog und eine lange Lunte daran befestigte. Dann zündete er seine Laterne an und verschwand im Bergwerk. Diamond hockte sich hin, lehnte sich an einen Judasbaum, nahm einen Apfel hervor und zerteilte ihn. Er warf Jeb ein Stück zu, der im Unterholz herum stöberte. Dann erst bemerkte er die besorgten Mienen von Lou und Oz.
»Die Zündschnur brennt ganz langsam. Ehe die Ladung hochgeht, kommt man glatt einmal bis zum Mond und zurück.«
Kurz darauf tauchte Eugene wieder aus dem Stollen auf und ließ sich auf einem großen Stein in der Nähe des Eingangs nieder.
»Sollte er nicht lieber da weggehen?«
»Nee. Für ’n Eimer voll ist die Ladung winzig. Sobald sie hochgegangen ist und der Staub sich gelegt hat, führ ich euch rum.«
»Was gibt es denn in so einem alten Bergwerk zu sehen?«, wollte Lou wissen.
Diamond duckte sich plötzlich und machte ein verschwörerisches Gesicht. »Hört mal, ich hab vor einiger Zeit ’n paar Typen nachts hier rumschleichen sehn. Erinnert ihr euch noch, wie Miss Louisa meinte, ich soll die Augen aufhalten? Das hab ich getan. Die Burschen hatten Laternen dabei und schleppten Kisten ins Bergwerk. Wir gehn rein und sehn nach, was sie vorhaben.«
»Aber wenn sie jetzt gerade im Bergwerk sind?«
»Nee. Ich bin schon vor längerer Zeit hier gewesen, hab mich umgeschaut und ’nen Stein in den Stollen geworfen. Und es gibt frische Fußspuren, die nach draußen führen. Außerdem hätt Eugene sie bestimmt bemerkt.« Plötzlich kam ihm ein Gedanke. »Hey, vielleicht brennen sie Schnaps und benutzen
den Stollen, um die Destille und das Korn und so zu verstecken.«
»Eher dürften es ein paar Landstreicher sein, die in dem Bergwerk ein trockenes Plätzchen für die Nacht suchen«, sagte Lou.
»Ich hab noch nie gehört, dass sich hier oben Landstreicher rumtreiben.«
»Warum hast du Louisa nichts davon erzählt?«, fragte Lou vorwurfsvoll.
»Weil sie schon genug Sorgen hat. Ich wollte mir erst Gewissheit verschaffen, wie sich ’s für ’n Mann gehört.«
Jeb scheuchte ein Eichhörnchen auf und jagte es um einen Baum herum, während sie alle zum Stolleneingang blickten und auf die Explosion warteten.
»Weshalb willst du eigentlich nicht bei uns wohnen?«, fragte Lou aus heiterem Himmel.
Diamond starrte sie an. Die Frage verwirrte ihn offensichtlich. Er rief seinem Hund zu: »Lass das, Jeb. Das Eichhörnchen hat dir nix getan.«
Lou war noch nicht fertig. »Ich meine, wir könnten Hilfe gebrauchen. Einen weiteren starken Mann. Und auch Jeb.«
»Nee. Ein Mann braucht seine Freiheit.«
»He, Diamond«, sagte Oz, »du könntest mein großer Bruder sein. Dann braucht Lou nicht mehr jeden selbst zu verprügeln, der mir was will.«
Lou und Diamond lächelten einander an.
»Vielleicht solltest du mal darüber nachdenken«, meinte Lou.
»Klar, vielleicht tu ich ’s.« Er blickte zum Bergwerk. »Lange dauert’s nich’ mehr.«
Sie lehnten sich zurück und warteten. In diesem Moment flüchtete das Eichhörnchen aus dem Wald und flitzte in den
Stolleneingang. Jeb jagte hinterher.
Diamond sprang auf. »Jeb! Jeb! Komm sofort her!« Der Junge rannte los. Eugene wollte ihn festhalten, doch Diamond wich ihm aus und rannte in den Stollen.
Lou schrie auf. »Diamond! Nicht!«
Sie hetzte zum Stolleneingang.
Oz rief: »Lou, nein! Komm zurück!«
Ehe sie den Eingang erreichte, packte Eugene sie und hielt sie fest. »Warten Sie hier. Ich hol ihn, Miss Lou.«
So schnell er konnte, humpelte Eugene in die Dunkelheit und brüllte: »Diamond! Diamond!«
Lou und Oz blickten einander entsetzt an.
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