Das Versprechen
voll Steckrüben, Wirsing, Gurken, Kartoffeln, Äpfeln, Kohlköpfen, Birnen, Süßkartoffeln und Zwiebeln und sogar gepökeltes Schweinefleisch auf den Wagen zu laden.
Während Lou arbeitete, beobachtete sie, wie Louisa mit Billy in eine Ecke der Scheune ging und sein Gesicht im Schein der Laterne eingehend untersuchte. Dann verlangte sie von ihm, er solle das Hemd hochziehen, und sie schaute sich auch seinen Oberkörper an. Das Ergebnis stellte sie offenbar zufrieden.
Als Billy den Wagen wendete und davonrollte, hatten die Maultiere Mühe, das Gewicht zu ziehen, und der Junge strahlte übers ganze Gesicht, während er die Peitsche knallen ließ und in die Nacht verschwand.
»Sie können die ganzen Lebensmittel doch nicht vor George Davis verstecken«, sagte Lou.
»Ich mach das jetzt schon seit ein paar Jahren. Der Mann hat sich noch nie Gedanken drüber gemacht, woher das alles kommt.«
Lou machte keinen Hehl aus ihrem Zorn. »Das ist nicht gerecht. Er verkauft seine Ernte und verdient viel Geld damit, und wir ernähren seine Familie.«
»Dass eine Mutter und ihre Kinder genug zu essen haben, ist immer gerecht«, erwiderte Louisa.
»Was hast du eigentlich unter seinem Hemd gesucht?«, wollte Lou wissen.
»George ist raffiniert. Meistens schlägt er auf die Stellen, die von der Kleidung verdeckt werden.«
»Warum hast du Billy nicht einfach gefragt, ob er von seinem Vater geschlagen wurde?«
»Es ist wie bei ’ner leeren Butterbrotdose. Kinder lügen, wenn sie sich schämen.«
Bei all ihrem Überfluss beschloss Louisa, mit Eugene und den Kindern einen Wagen voll zu laden und hinunter ins Holzfällerlager zu fahren. An dem Tag, als die Fahrt stattfinden sollte, kam Cotton herüber, um sich um Amanda zu kümmern, solange die anderen fort waren.
Die Holzfäller erwarteten sie schon, denn als sie eintrafen, hatte sich bereits eine vielköpfige Menge versammelt. Das Lager war sehr groß und verfügte über eine eigene Schule, ein eigenes Kaufhaus und eine Post. Weil die Arbeiter jedes Mal weiterziehen mussten, sobald die Baumbestände erschöpft waren, befand die gesamte Siedlung sich auf Rädern, darunter auch die Behausungen, die Schule und das Kaufhaus: Sie standen auf verschiedenen Gleisen und waren wie die Häuser eines eigenen Stadtviertels angeordnet. Sobald es Zeit zum Weiterziehen wurde, wurden die Waggons an die Lokomotiven gehängt, und binnen kürzester Zeit rollte die gesamte Stadt ihrem neuen Ziel entgegen.
Die Holzfällerfamilien bezahlten die Waren entweder mit Bargeld oder mit Tauschwaren wie Kaffee, Zucker, Toilettenpapier, Briefmarken, Bleistiften und Papier sowie mit alten Kleidern und Schuhen und alten Zeitungen. Lou war auf Sue ins Lager geritten; sie und Oz ließen die Kinder der Holzfäller umsonst auf dem Pferd reiten, doch die Eltern durften ihnen, wenn sie wollten, durchaus Pfefferminzstangen und andere Köstlichkeiten »spenden«, was viele auch taten.
Später schauten sie, nachdem sie einen schmalen Felsgrat erklommen hatten, auf einen Abschnitt des McCloud River hinunter. Flussabwärts hatte man eine Barriere aus Gestein und Schwemmholz errichtet, die das Wasser staute, sodass es größere Steine und andere Hindernisse bedeckte, welche den Holztransport auf dem Fluss erschwerten. Hier war das Wasser von einem Ufer zum anderen mit Baumstämmen bedeckt, vorwiegend Tulpenbäumen, deren Stämme mit dem Brandzeichen des Holzunternehmens versehen waren. Aus dieser Höhe wirkten sie wie Bleistifte; dann aber erkannten Oz und Lou, dass die kleinen Punkte, die sich darauf bewegten, in Wahrheit Männer waren, die die Baumstämme im Wasser lenkten. Sie trieben bis zu dem Damm, in dem dann eine Öffnung geschaffen wurde, sodass die schäumende Flut das Holz weiter flussabwärts trug, wo es zusammengebunden und verfloßt wurde, bis die Bäume aus Virginia schließlich auf den Holzmärkten von Kentucky landeten.
Während Lou den Blick über die Landschaft unter ihr schweifen ließ, schien irgendetwas zu fehlen. Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es die Bäume waren. So weit ihr Auge reichte, sah sie nur Stümpfe. Und als sie ins Lager zurücckamen, stellte sie außerdem fest, dass einige Gleise leer waren.
»Wir haben fast das ganze Holz aus dieser Gegend rausgeholt«, erklärte einer der Holzfäller voller Stolz. »Bald ziehn wir weiter.« Das Ganze schien ihn nicht im Mindesten zu stören. Lou dachte bei sich, dass er vermutlich daran gewöhnt war: einen Kahlschlag machen
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