Das Versprechen der Kurtisane
Duell zurücktreten. Welche anständige Frau würde schließlich wollen, dass ihr Mann sich aus einem solchen Anlass duellierte?
Ich habe nicht vor, ihr den Hof zu machen. Falls ich noch nicht in dich verliebt bin, dann bin ich sehr kurz davor.
Es hätte nie etwas daraus werden können. Sie hatte es nie im Geringsten gehofft. Weshalb fühlte sie sich plötzlich, als sei sie im tiefsten Winter ohne Mantel vor die Tür gesetzt worden?
Der Rundgang durch den Garten kam endlich zu seinem erbarmungsvollen Ende, und nach einer Runde Verabschiedungen, guter Wünsche und anderer qualvoller Nettigkeiten stand sie wieder mit Mr Blackshear auf der Straße. Sie ging los. Eine Diskussion würde zu nichts führen, also sagte sie nichts.
»Lydia.« Er kam neben sie, sein Tonfall tief und eindringlich. »Ich versichere dir, ich hatte keine Ahnung!«
»Es macht nichts.« Sie wickelte sich fester in ihren Mantel und zog das Tempo an.
»Ich will nur, dass du weißt, dass ich dich nicht angelogen habe, als ich dir gesagt habe, dass es keinerlei Erwartungen gibt. Ich wäre nie mit dir ins Bett gegangen, wenn es welche gegeben hätte. Ich weiß überhaupt nicht, wie sie darauf …«
»Ich sagte doch, es macht nichts.« Die Worte klangen brüsker, als sie beabsichtigt hatte. Sie sprach sanfter. »Ich zweifle nicht an deinem Wort. Ich habe gesehen, wie überrascht du warst.«
»Ich war nur ein paarmal hier. Und sie trägt Trauer.« Er versuchte, sich selbst zu überzeugen, ebenso wie sie. »Ihr Mann ist noch kein Jahr tot. Ich bin einfach gar nicht darauf gekommen, dass …«
»Du hast dich klar ausgedrückt. Und du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Nichts davon geht mich etwas an.« Sie schaffte es einfach nicht, höflich zu sein. Und plötzlich waren die zwei Meilen nach St. James’, in denen sie zweifellos die ganze Zeit seine Versuche, ein Gespräch zu beginnen, abwürgen musste, mehr, als sie ertragen konnte.
Abrupt blieb sie stehen und fuhr zu ihm herum. »Ich denke, ich gehe nach Hause, da wir so nah an Somers Town sind. Ich muss noch mein restliches Geld für heute Abend holen, und ich muss ein paar Dinge sortieren.«
Sein ohnehin schon geplagter Blick wurde noch verzweifelter. »Ich dachte …« Er trat einen Schritt zurück und blickte auf ihre Stiefel. »Ich hatte gedacht, wir würden zurück zu mir gehen und … reden.«
Oh Gott. Er hatte sich entschlossen, ihr sein dunkles Geheimnis zu verraten. Er war endlich bereit, ihr sein Herz auszuschütten, sie mit seinem tiefsten Vertrauen zu ehren, ausgerechnet jetzt, wo sie auf einmal nicht mehr dazu in der Lage war. Nicht jetzt. »Ich denke, es ist praktischer, wenn wir uns einfach später im
Oldfield’s
treffen.«
Er sah ihr wieder in die Augen. Er verstand nicht. Wie sollte er auch. Sie verstand es ja selbst kaum.
»In Ordnung.« Er akzeptierte diese neuerliche Enttäuschung mit milden Worten und einem Nicken, wo er jedes Recht hatte, eine Erklärung zu verlangen. »Ich bringe dich nach Hause.« Er hielt ihr den Arm hin.
»Das ist lieb von dir, aber danke. Nein danke.« Ihre Füße bewegten sich bereits und trugen sie fort, rückwärts die Straße entlang. »Ich werde ab halb elf im
Oldfield’s
sein. Ich erwarte dich gegen elf.«
Er erhob keine Einwände, wie er es in einer ähnlichen Situation vor einigen Wochen getan hatte. Er gab überhaupt keine Antwort. Er steckte lediglich die Hand in die Manteltasche und stand da, bis sie verschwunden war.
Ihr Herz – ihr dummes, vergiftetes Herz, das jahrelang unter einem Trümmerhaufen aus Wut ausgeharrt hatte, um ausgerechnet in diesem ungünstigsten aller Momente wieder hervorzukommen – ihr Herz würde ganz bestimmt brechen, wenn sie den Ausdruck in seinen Augen auch nur eine Sekunde länger mitansehen musste. Mit wehenden Röcken und Mantel fuhr sie herum und machte sich auf den Weg.
20
An jenem Abend trug sie ihr einfaches weißes Musselinkleid, da sich alle eleganteren Roben im Koffer in Mr Blackshears Wohnung befanden. Jeder, der sie von ihrem letzten Besuch hier wiedererkannte, musste annehmen, dass sich ihr Blatt inzwischen gewendet hatte, wenn nicht wegen des schlichten Kleids, dann aufgrund ihres Benehmens.
Sie täuschte diesmal Trunkenheit vor, denn sie brachte es einfach nicht übers Herz, zu flirten, weder mit Mr Blackshear noch mit jemand anderem. Also gab sie sich abwechselnd still und depressiv und laut und unwirsch, und in diesen Ausbrüchen brachte sie ihre Hinweise für Will unter. Fünf
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