Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Versprechen der Kurtisane

Das Versprechen der Kurtisane

Titel: Das Versprechen der Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Grant
Vom Netzwerk:
Augenwinkeln sah er, wie sie ihn stirnrunzelnd ansah. »Wie kommt es, dass sie auf die Wohltätigkeit ihrer Familie angewiesen ist? Bekommt sie als Kriegswitwe denn keine Rente?«
    »Talbot war kein Offizier.« Er stellte die Füße zurecht, einen vor, den anderen zurück, und lockerte den Griff um die Zügel. »Die Armee versucht, verheiratete Männer möglichst aus den Mannschaften herauszuhalten, und zahlt den Witwen solcher Männer gar nichts.«
    »Des Risikos muss er sich bewusst gewesen sein. Aber es ist trotzdem bedauerlich, dass eine Witwe unter den Entscheidungen zu leiden hat, die ihr Mann getroffen hat.«
    Er hat auch gelitten, Martha. Glaub mir, er hat mehr gelitten, als du dir jemals vorstellen kannst. Und dafür kannst du dankbar sein!
Den halben Besuch über hatte er gegen die düstere Stimmung angekämpft, und plötzlich war er es müde, zu kämpfen. Sollten sie doch kommen, die Trauer und die Wut und der Trübsinn, und auch die unermüdlichen Selbstvorwürfe, die in seinem Inneren umherwirbelten wie Schwaden von Kohlenstaub. Er war ihre Gesellschaft weiß Gott inzwischen gewohnt.
    »Äußerst bedauerlich, da hast du recht«, sagte er so unbeschwert, wie er konnte. »Es ist eine Schande, dass es für Witwen keinen vernünftigen Versorgungsplan gibt.«
    Das war genau das richtige Thema, um seine Schwester den ganzen Rückweg über zu beschäftigen. Will brauchte nur ab und zu ein zustimmendes Grunzen beizusteuern, und als High Holborn in Sicht kam, war sie vom schweren Los der Kriegswitwen über die grundlegende Ungerechtigkeit des Patentsystems zu Gott weiß was noch allem übergegangen. Er hatte längst den Faden verloren.
    Doch plötzlich brachte ihr veränderter Tonfall seine Aufmerksamkeit zurück. »Sieh dir diese armen Frauen an!« Sie deutete an ihm vorbei auf seine Straßenseite. »Ich glaube, eine von ihnen ist verletzt.«
    Will schaute. Wenn die beiden in die andere Richtung geblickt hätten, hätte er sie nicht erkannt. Nichts an ihrer Haltung oder ihrer Gestalt war ihm vertraut. Sie trug ein einfaches, hochgeschlossenes blaues Kleid und ging langsam, einen Arm um die Taille eines Mädchens geschlungen, das sich auf sie stützte und bei jedem zweiten Schritt nur mit dem Ballen auftrat. Ihr Gesicht war dem Mädchen zugewandt, und sie sagte etwas. Vermutlich sprach sie ihm Mut zu, oder sagte irgendetwas anderes, das sie ihrem Ziel einen weiteren Schritt näher brachte.
    Er atmete tief ein. Er spürte die zerbrechliche Last des Mädchenarms, als läge er auf seiner eigenen Schulter. Er wusste genau, wie sich das Gewicht einer anderen Person auf die Balance auswirkte. Wenn man jemanden auf dem Rücken trug, musste man sich nach vorn beugen. Wenn man jemanden auf dem Arm hatte, musste man seinen Schwerpunkt tiefer ins Becken verlagern. Eine Person an der Seite verursachte bestimmt irgendwann Schmerzen in der Wirbelsäule und im Nacken.
    Er atmete aus. »Ich kenne diese Dame.« War sie eine Bekanntschaft, zu der er sich vor der Familie bekennen wollte? Zu spät, das hatte er soeben getan. »Die größere. Oder jedenfalls sind wir uns schon begegnet.« Er hatte das Gespann bereits zur Seite gelenkt. Er konnte nicht anders.
    Sie kann dich nicht leiden
, sagte eine von Kohlenstaub heisere Stimme in seinem Kopf.
Sie wird keine Hilfe von dir annehmen wollen. Und bilde dir ja nicht ein, du könntest damit wiedergutmachen, was du bei Talbot falsch gemacht hast!
Zum Teufel mit der Stimme. Sie brauchte Hilfe, und das war alles, was zählte.
    Sein Herz klopfte mit überraschender Heftigkeit, als er sich aus der Kutsche lehnte und ihren Namen rief.

4
    »Miss Slaughter!«
    Lydia blickte auf. In einem lackierten Zweispänner, der neben ihr am Straßenrand hielt, saß Mr Blackshear, mit einer jungen Dame an seiner Seite.
    Das Blut schoss ihr heiß in die Wangen. Sie wäre niemals so ungezwungen mit ihm umgegangen, wenn sie gewusst hätte, dass es eine junge Dame gab. Und zwar eine ausgesprochen hübsche, mit dunklen Augen und von zierlicher Gestalt, in einem hellbraunen Kleid mit passendem Mantel.
    Er nahm den Hut ab, die Zügel mit der anderen Hand fest umklammert. »Darf ich Ihnen meine Schwester, Mrs Mirkwood, vorstellen?«, fragte er, und auf einmal war die Ähnlichkeit offensichtlich. Das Haar, das unter ihrer Haube hervorblickte, war zwar heller und ihr Mund hatte nicht diesen schelmischen Ausdruck, doch die Augen waren die gleichen. »Martha, das ist Miss Slaughter.« Er nickte in Janes Richtung. »Hat

Weitere Kostenlose Bücher