Das Versprechen der Kurtisane
Gegenwart tat, sagte ihr, dass seine Wut sich auch gegen sie richtete.
Na ja, diese Möglichkeit hatte sie ja schließlich vorhergesehen. Und sie würde herzlich wenig davon haben, ihm vor Augen zu führen, wie unlogisch seine Gekränktheit war. Männer ärgerten sich über die seltsamsten Dinge, wenn sie sich einbildeten, in ihrer Ehre verletzt worden zu sein, und Frauen taten gut daran, ihnen dann einfach aus dem Weg zu gehen und der Verstimmtheit ihren Lauf zu lassen.
Das tat sie den ganzen Tag über, so gut sie konnte. Sie gesellte sich zu den Damen in der Galerie, spazierte zu den Stallungen und wieder zurück und mied ihren Beschützer in der Hoffnung, dass sein Ärger bis zum Abend verpuffen würde. Doch als man sich zum Abendessen versammelte, war sofort offensichtlich, dass Edward diese Stunden damit verbracht hatte, seine Wut noch weiter zu nähren, und zwar mit Alkohol.
Er war kein Säufer. Er trank bei Gesellschaften oder beim Spiel, wie alle Gentlemen, doch er gehörte nicht zu denen, die den Tag schon mit einer Flasche begannen und gelernt hatten, die Auswirkungen zu verbergen. Wenn er ernsthaft trank, sah man es ihm an.
Als Erstes setzte er seine neue Favoritin neben sich und überhäufte sie mit Komplimenten, und das in einer Lautstärke, die entweder dem Alkohol geschuldet oder bewusst so bemessen war, dass Lydia ihn nicht überhören konnte. Ausführlich erfuhr sie die Vorzüge des goldenen Haars der Dame, ihrer schneeweißen Haut und der Augen, neben denen Saphire vor Neid erblassen konnten.
Objektiv betrachtet – und die einzige kluge Art, solche Bemerkungen zu betrachten, war Objektivität – hatte er recht. Caroline – so hieß die Dame – war hübsch auf Marias Art, wenn auch weniger auffällig. Caroline war auch beschämt darüber, diese Tatsache derart verkündet zu hören, doch Edward war natürlich nicht mehr imstande, das zur Kenntnis zu nehmen.
Wenn er dir etwas bedeuten würde, würde das wehtun wie Glasscherben im Hals.
Noch eine lehrreiche Erinnerung an die Nachteile der Liebe. Als hätte sie eine gebraucht. In Abwesenheit dieses Gefühls konnte sie sogar ein gewisses Mitleid mit der Dame empfinden, die nur getan hatte, wofür sie engagiert worden war, und es nie darauf angelegt hatte, eine Rolle in einer schäbigen Szene zwischen einem Mann und seiner Mätresse zu bekommen.
Trotzdem schien es Lydia, nachdem der Fisch abgeräumt worden war, das endloseste Essen in der Geschichte der Menschheit zu werden. Und mit dieser Meinung war sie nicht allein. Maria, die in Edwards Nähe saß, lehnte sich so gut es ging von ihm weg. Eine Dame mit kastanienbraunen Haaren, die manchmal mit ihnen Whist spielte, zuckte bei jedem energischen Höhepunkt seiner Ausführungen zusammen. Selbst Elizas Lord Randall, mit dem Lydia nie auch nur zwei Worte gewechselt hatte, warf ihr mit zusammengepressten Lippen einen viel sagenden, mitleidigen Blick zu.
Und als sie zufällig zu Mr Blackshear hinübersah, gegenüber und vier Plätze zur Seite, blickte er von seinem Steinbutt in holländischer Soße auf, und sein Blick war ebenso viel sagend wie der Lord Randalls, allerdings mit einer ganz anderen Botschaft:
Ein Wort von dir, und ich nehme ihn mit Messer und Gabel aus.
Sie schlug die Augen nieder. In ihrem Inneren summte es wie ein Bienenschwarm. Er hatte bereits Menschen getötet – das hatte er ihr ja gesagt –, doch sie hatte noch nie zuvor Mordlust in seinen Augen gesehen.
»Diese Wette mit Blackshear war eine hervorragende Idee.« Der Name ließ sie hochfahren, wie es keine von Edwards anderen Tiraden vermocht hatte, und sie drehte sich unwillkürlich zum Kopf der Tafel um. »Vielleicht probiere ich es noch mal.« Er sprach in die Runde, doch sein Blick ruhte auf ihr. »Wer ist ohne Begleitung hier und möchte sein Glück beim Spiel versuchen? Lord Cathcart?«
Der Viscount hob seine Serviette und tupfte sich bedächtig den Mund ab. »Ich fühle mich außerstande, der Dame, die ihr Leben mit meinem verbunden hat, so etwas Grausames anzutun. Sonst hätte ich längst eine eigene Geliebte.« Er schickte eine angedeutete Verbeugung in ihre Richtung. »Vielleicht sogar eine so reizende wie Miss Slaughter.«
Sie errötete wider Willen und legte die Gabel hin. Mit so vielen verstohlenen und weniger verstohlenen Blicken auf sich konnte man nicht essen.
»Dann jemand anderes?« Entweder hatte er die Rüge in Lord Cathcarts Antwort überhört, oder er ignorierte sie absichtlich. »Gibt es hier
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