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Das Versprechen der Kurtisane

Das Versprechen der Kurtisane

Titel: Das Versprechen der Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Grant
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nachkommen.«
    Das konnte niemand missverstehen. Eine halbe Stunde war die Zeit, die eine Dame brauchte, um sich auszuziehen.
    Und da war der Blick, den sie zuvor gesehen hatte. Der, der sie nackt werden ließ, ohne je ihr Gesicht zu verlassen. Eine Hand griff in seine Weste und kam mit einer Taschenuhr wieder zum Vorschein. »Eine halbe Stunde.« Er ließ den Deckel aufschnappen und betrachtete die Zeiger. »Du hast mindestens so viel Zeit, bis ich komme.« Er legte die Uhr neben seinen Teller und sah nicht mehr auf, während sie sich umdrehte und den Raum verließ.
    Das hatte sie doch nicht ernst gemeint, oder? Er war davon ausgegangen, dass sie lediglich Roanoke eins auswischen wollte, und dabei leistete er nur allzu gern Beihilfe.
    Will sah sich um und bemerkte, dass zwei oder drei der Anwesenden hastig wegsahen. Eine von Miss Slaughters Freundinnen, die zierliche Blondine, brach das Schweigen, indem sie energisch für eine Runde Charade nach dem Abendessen warb. Ihr Herr Beschützer unterstützte sie darin, und eine Reihe wohlmeinender Seelen, die die gedrückte Stimmung leid waren, stimmten mit so eifriger und beharrlicher Fröhlichkeit zu, wie sie vermutlich noch nie jemand für Charade aufgebracht hatte, seit das Spiel erfunden worden war. Als die halbe Stunde vorbei war, waren sie noch immer bei dem Thema.
    Er legte die Gabel neben das halb vertilgte Kotelett und erhob sich. Kein Kommentar schien der Situation angemessen, also verbeugte er sich schweigend. Mehrere der Herren nickten zurück. Alle gaben vor, nicht zu wissen, was sein Aufbruch zu bedeuten hatte, bis auf eine andere Freundin Lydias – die Dunkelhaarige –, die ihm ungeniert beifällig zuzwinkerte. Er nahm seine Uhr und verließ den Raum.
    Was würde er tun, wenn sie es ernst gemeint hatte?
Ihr zu Willen sein, Dummkopf.
Doch wobei? Wenn sie es nur darauf anlegte, sich an ihrem Beschützer zu rächen, hatte das Ganze sehr wenig mit ihm zu tun. Und wenn er jemals mit ihr ins Bett gehen sollte, wollte er, dass es
alles
mit ihm zu tun hatte.
    Sehr wahrscheinlich hatte sie es nicht ernst gemeint. Und wenn, dann wäre ihr Zorn in der halben Stunde gewiss verflogen. Sie würden herzlich darüber lachen, wie sie alle hinters Licht geführt hatten, und sich dann ins Bett beziehungsweise auf den Boden zurückziehen wie letzte Nacht.
    Auf dem Weg nach oben und den langen Korridor entlang bis zu seinem Zimmer hatte er Zeit, sich das alles einzureden. Beinahe redete er sich sogar ein, das sei es, was er hoffte. Dann stieß er die Tür auf, und die Überzeugung wich dem Anblick von Miss Slaughter, in Nachthemd und Morgenmantel, mit offenen Haaren.
    Sie saß auf der Fensterbank, die Beine wie eine Meerjungfrau zu einer Seite geschlagen, die Knöchel gerade sichtbar unter dem Saum ihres Morgenmantels.
Seines
Morgenmantels. In seinen Ohren begann es zu summen, als ihm dieses Detail auffiel.
    Sie sah ihn nicht an, sondern führte das Weinglas, das sie in der Hand hielt, an die Lippen. Sie tat es ungekünstelt – reckte nicht den Kopf, damit er das zarte Kräuseln ihres Halses sah, während sie schluckte, leckte sich auch nicht die benetzten Lippen – doch als sie das Glas wieder sinken ließ, fiel der zu große Morgenmantel von ihrer Schulter, und darunter kam dunkel glänzende violette Seide zum Vorschein.
    Sie war gar nicht im Nachthemd. Wie elektrisiert erinnerten sich seine Handflächen und seine Finger daran, wie sich dieser Stoff anfühlte. Auch sein Mund. Das Summen in seinen Ohren schwoll zu einem diffusen Getöse an.
    Er zog die Tür hinter sich zu. Seine Hand verweilte auf dem Knauf. Einen halben Meter darüber gab es einen Riegel.
Sperr ab!,
soufflierten seine Hand, sein Blut und alle voreiligen Impulse in ihm.
    Doch diesen Riegel vorzuschieben würde ihn zu der Tat verpflichten. Das Scharren und Einrasten von Metall wäre seine Zustimmung zu diesem Schauspiel, das keine lohnenswerte Rolle für ihn bereithielt.
Ja
, würde es sagen
,
ich bin bereit, mich als bloße zweckdienliche Erektion deiner Szene zur Verfügung zu stellen
. War er das?
    Er nahm die Hand vom Türknauf und verschränkte die Arme. Er würde sich mit der Entscheidung noch ein wenig Zeit lassen.
    Miss Slaughter rührte sich; ihre Schultern hoben sich mit einem tiefen Atemzug. »Ich bilde mir ein, eine vernünftige, rational handelnde Person zu sein, weißt du.« Die Worte mussten für ihn bestimmt sein, doch sie richtete sie an den Claret in ihrem Glas. Jetzt, wo er das Spektakel

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