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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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in der Neuen Klement-Gottwald-Hütte, ahnt es nur verschwommen),dafür aber null, na vielleicht einen Furz mehr als null, vom Beschatten und Überwachen einer verdächtigen Person wussten. Ihr Verhalten deutete darauf hin, dass sie den Genossen Schildberger und sein Haus ohne sein Wissen observieren sollten, deutete aber eben nur darauf hin, der gestellten Aufgabe gerecht wurde es keineswegs. Es waren plumpe Stümper, die statt durch Unauffälligkeit zu glänzen im Gegenteil auffällig waren wie Richter in Talaren auf einem Kettenkarussell, nein, das trifft es nicht, will sagen wie Knutschflecken auf dem Nacken der englischen Königin, nicht doch, auch das trifft es nicht, aber ihr werdet euch damit begnügen müssen, wenn wir uns von der Stelle bewegen sollen. Kurz gesagt, für Dan bedeutete ihr Dilettantismus eine Qual, Amateurfehler in seiner Profession waren für ihn unerträglich.
    Einer der Beschatter schlenderte ungezwungen in der Nähe der Villa auf und ab, der andere hatte sich im gegenüberliegenden Einfamilienhaus eingemietet und wartete dort hinter einem Fenster mit dem Fotoapparat. Manchmal zwinkerten sie einander zu, vom Fenster auf die Gasse und umgekehrt. Und so wussten alle in dieser Gasse (aber auch schon in den angrenzenden Gassen), dass über Apparatschik Schildberger eine schicksalhafte Wolke schwebte (es war die Zeit der Prozesse mit dem Verschwörerzentrum). Nur der Sekretär war ahnungslos. Aber das sollte uns nicht überraschen. Verurteilte sind oft mit Blindheit geschlagen und schreiten allen Warnzeichen zum Trotz dem Galgen entgegen.
    Dan achtete sorgsam darauf, dass ihn die Bewacher nicht bemerkten, was wirklich kein Problem war beidiesen Observierungskünstlern. Aber dann hörte er schon den Wagen des Sekretärs. Ich muss neuerlich wiederholen, dass man Pkws damals mit der Lupe suchen musste, und ins Jirásek-Villenviertel fuhren auch wenige Lkws hinein, sodass sogar diese Tölpel von Beschattern jetzt aufhorchten. Das Auto blieb einen Augenblick lang irgendwo um die Ecke stehen, setzte seine Fahrt jedoch gleich wieder fort, und da rollte es schon aus der Rudišova in die Havlíčkova, und Dan kapierte sofort, was der klitzekleine Halt noch außerhalb des Blickfelds seiner selbst und der Bewacher bedeutete. Der Apparatschik traf jetzt nämlich allein in dem Wagen ein.
    Dan zögerte nicht eine Sekunde und eilte in die nächste Querstraße, die Soukupova, und um die nächste Ecke in die Sedlákova, und dort erfüllte sich seine Erwartung. Er erwischte Lucie noch, wie sie, im Schatten einer dichtbelaubten Linde, das Türchen zu einem großen Garten aufschloss, der südwestlich an die Villa des Sekretärs angrenzte. Während im Nordosten der Sekretär soeben aus dem Wagen stieg und das Garagentor öffnend den Hit „Bei uns hört der Frühling doch nicht auf!“ pfiff. In seine erotischen Visionen versunken, sah er weder die Überwacher noch die schicksalhaften Wolken, die sich schon emsig über seinem Kopf zusammenbrauten.
    Warum er dann in Unkenntnis der Überwachung Lucie schon eine Straßenecke vorher absetzte und sie von der anderen Seite, durch das Tor quer durch den Garten, schickte? Der totalitäre kommunistische Staat ist in seinen Anfängen eines der puritanischsten Regime gewesen. Ein bedeutender Apparatschik konnte durchaus eine von einerFabrikantenfamilie konfiszierte Villa bewohnen und durfte dort in einem gewissen – durch den hohen Anspruch und die hohe Verantwortung seiner Parteiarbeit gerechtfertigten – Luxus leben, aber nicht nur seine Adresse, sondern auch sein Privatleben waren damals noch öffentliches Eigentum der Werktätigen. Auf diese Weise war Bretons schrecklicher surrealistischer Traum vom „Glashaus“ in Erfüllung gegangen. Der Parteisekretär durfte folglich zwar Männergelüste haben, aber wenn er sie schon nicht beherrschen konnte und sich irgendwo eine schöne Konkubine und außerdem auch noch die Gattin eines anderen Mannes angelte, musste er es wenigstens bewerkstelligen können, in jenem „Glashaus“ einen undurchsichtigen Paravent vor seine Gelüste zu stellen, um Dreher, Fräser, Traktorfahrer und Kuhmelkerinnen nicht unnötig zu verstimmen damit.
    Dan wusste, dass er jetzt etwa knapp dreißig Minuten Zeit hatte, und entschloss sich schließlich, sie in der auf den ersten Blick fragwürdigsten Art zu nutzen. Statt über die nicht sehr hohe Mauer zu klettern und im Garten einen Baum ausfindig zu machen, von dem aus er durch eines der Fenster die

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