Das Versprechen des Architekten
öffnenden Flügel die restlichen Haken des Hakenkreuzes unsichtbar machten. So viel zur Front des Hauses. Aber auch von der Seite waren die anderen zwei Flügel, die weiteren zwei Haken, kaum zu sehen, weil sie der hohe Grünbewuchs verdeckte, in den ich die Villa hineingesetzt hatte. Somit konnte nur der Blick aus der Luft Wagenheims Vorgabe enthüllen. (Und da hatte die Villa Wagenheim später noch Glück, dass die alliierten Flieger, als sie am Ende des Krieges Brünn bombardierten, nicht bis über Pisárky geflogen sind und sich an ihr delektiert haben.)
Außerdem hatte ich mir für alle vier Flügel so selbstverständliche funktionelle Verwendungszwecke ausgedacht, dass allen klar sein musste, dass so wie ein Vogel die Flügel zum Fliegen auch diese Villa ihre Flügel für ihre ureigenste Existenz brauchte. Genau hier nämlich war der eigentliche Wohnraum untergebracht, und der Kubus, aus dem die Flügel herauswuchsen, war nur ein Gelenk, mit dessen Hilfe es ihnen, sollten sie Lust dazu bekommen, möglich wäre, sich zu bewegen zu beginnen, zu winken und sich zu drehen zu beginnen. Und dass am Ende eines jeden Flügels, wie es einer Swastika entspricht, im rechten Winkel ein Miniflügel drangesetzt war, verschuf mir die Möglichkeit, dort solche Räume unterzubringen, die einen eigenen Eingang verlangten. Und weildiese sich am Ende der Flügel befanden und durch den rechten Winkel auch noch um die Ecke lagen, gerieten sie auf diskrete Weise abseits des zentralen Wohn- und Repräsentationsraums und bildeten somit vier ganz besondere kleine Zimmer, abgeschieden vom laufenden Betrieb.
Als gleich nach dem Krieg eine Delegation finnischer Architekten nach Brünn kam, um das Messegelände und andere funktionalistische Bauwerke zu besichtigen, jene Fragment gebliebene Hinterlassenschaft des einstigen Avantgardeplans, aus Brünn ein Zentrum der modernen europäischen Architektur zu machen, blieben sie auch vor der Villa Wagenheim stehen, obwohl keiner der tschechischen Organisatoren der Exkursion sie in ihre Besichtigungsroute eingereiht hatte. Der Villa Wagenheim aus dem Weg zu gehen, war allerdings schwierig, lag sie doch in der Nachbarschaft der Fuchs- und Wiesner-Villen. So blieben sie denn stehen vor meinem Meisterstück, verwirrt, dass keiner der tschechischen Architektenkollegen sie auf sie aufmerksam gemacht hatte, standen da vor der Villa Wagenheim wie Pilzsammler vor einem riesigen Steinpilz und schnatterten anfangs fachmännisch, indem sie auf die am Ende zu kleineren Flügeln abgeknickten Flügel zeigten, dann aber ließ heilige Ehrfurcht sie schon verstummen und fesselte sie an den Ort: ein versteinertes Häuflein sprachloser Bewunderer. Dabei gewesen bin ich selbstverständlich nicht, nur gehört habe ich davon. Und vor allem von den schrecklichen Folgen. Als sie nach Hause zurückgekehrt waren, säten sie im Land der Wälder und Seen und im Land des Architekten Alvar Aalto da und dort architektonische Hakenkreuze aus, ohne dassdiesen Schwachköpfen dämmerte, welche Saat sie dort eigentlich ausstreuten.
Trotzdem würde ich gerne glauben, dass es mir mit der Villa Wagenheim gelungen ist, den Teufel zu überlisten. Falls es sich in Wirklichkeit nicht vielmehr so verhält, dass der Teufel mir hier nur demonstriert hat, wie er mir zu suggerieren versteht, dass ich ihn überlistet hätte.
DAS ATELIER IN DER ELIŠKA-MACHOVÁ-GASSE
Ich habe Kamil im Verdacht, dass bei seinem Entschluss, mir ausgerechnet in der ulice Elišky Machové in Žabovřesky eine Villa zu bauen, nicht nur eine sich dafür anbietende Baulücke nach irgendeinem Hausabriss eine gewisse Rolle gespielt hat, sondern auch der Gag, dass Eliška Modráčková dann in der Eliška-Machová-Gasse wohnen würde. Kamil ist immer offen für alle möglichen Einfälle, von bewundernswerten und meist unrealisierbaren Vorhaben bis zu nichtigen Dummheiten. Umso weniger verstehe ich, dass er, zweifellos einer der besten Brünner Architekten, gesegnet mit einer fantastischen spielerischen Ader und geradezu krank vor Kreativität, trotzdem nicht übermäßig Sinn hat für das, woran ich gerade arbeite. Allerdings betrifft das nicht nur meine Bilder. Kürzlich hat er bei mir in einer holländischen Publikation über Kandinsky und Malewitsch geblättert und sie ziemlich schnell wieder weggelegt. Vorwürfe macht er mir sicherlich nicht, er ist peinlich darauf bedacht, mir um Himmels willen nicht irgendwie zu nahe zu treten. Ich beobachte sein Bemühen mit
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