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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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geplant aus Olmütz zurück. Ich hatte dort in der Vorstadt gerade meine erste selbstständige Arbeit fertiggestellt, eine Villa für den Rennfahrer Nusek. Und wiegte mich in dem guten Gefühl, dass es mir gelungen war, das in Brünn vielleicht schon allmählich erlöschende Licht des Funktionalismus nach Olmütz getragen zu haben. Wer nämlich kann heute wissen, was passiert wäre, hätten nicht der Krieg und die deutsche Okkupation in all das dazwischengefunkt. Ist doch zum Beispiel die „aerodynamische Villa“ für Augustin Tesař in Pisárky ein Beweis dafür, dass die Imagination eines Bohuslav Fuchs bestimmt noch nicht tot war und dass sich Ende der Dreißiger- und Anfang der Vierzigerjahre vielleicht durchaus eine weiterebemerkenswerte Etappe auf dem Weg der modernen Brünner Architektur daraus hätte ergeben können. Aber davon habe ich nicht erzählen wollen.
    Drei Tage vor dem Eintreffen des Schriftstellers engagierte Vater eine gestandene Putzfrau, die unsere Wohnung in ein „Schlachtfeld“ verwandelte, vor dem ich in die „Eulenburg“ flüchtete, nach Černá Pole, in die Wohnung meiner künftigen Frau. Und zwei Tage vor Nabokovs Ankunft engagierte er noch eine Köchin aus dem Hotel Slovan. Mit der brütete er dann lange über verschiedene Variationen für die Speisekarte, als hätte er für einen großen Restaurantbetrieb den Monatsplan aufzustellen, wobei es sich bloß um ein einziges Abendessen, Frühstück und Mittagessen handelte. Und dann ging es schon ans Sieden, Braten, Backen, und das Staubsaugen paarte sich mit dem Kochen zu einer so großartigen Kopulation, dass mir, sofern ich mich, und sei’s nur für ein Weilchen, zu Hause blicken ließ, die Augen aus den Höhlen traten wie einem pubertierenden Bengel, der zum ersten Mal im Leben zügellosen Orgien beiwohnt, von denen er bislang nur ahnte, dass sie sich vielleicht irgendwo zutragen.
    Vater hatte sich vorgenommen, Nabokovs gesamten Besuch sorgfältig zu dokumentieren. Deswegen nervte er dann alle die ganze Zeit mit seiner Leica, mit der er nicht einmal richtig umgehen konnte. Das fing schon im Brünner Bahnhof an, wo sich Nabokov mit höflicher Bereitwilligkeit in dunklem Sakko, weißem Hemd mit getüpfeltem Schlips und dem Zipfelchen eines weißen Taschentuchs in der Brusttasche für ihn in Pose warf, ein stets mustergültiger Gentleman auf Reisen. Er setzte sich auf seinengroßen Koffer und klemmte sich den anderen zwischen die Knie und machte ein spitzbübisches Gesicht. Von jenen kaum vierundzwanzig Stunden in Brünn ist eine Handvoll Fotos mit Nabokovs immer noch sportlicher, vielleicht nur ein wenig vom Frost angeknabberter Figur erhalten geblieben. Er war ja auch Tormann des Fußballteams der russischen Emigranten in Berlin gewesen. Und nicht nur Verfasser von Büchern und so wie mein Vater Übersetzer, sondern auch ein passionierter Schmetterlingsjäger und Konstrukteur von Schachproblemen, was mein Vater wiederum nicht gerade war. Ursprünglich hätte er zusammen mit einem Wiener Entomologen kommen sollen, und daher hatte man mit diesem Reisegefährten Nabokovs auch beim Abendessen, Frühstück und Mittagessen gerechnet, und dies nicht nur bei der Verpflegung (mit der Vater zu diesem Zweck die Speisekammer, den Kühlschrank wie auch den Keller gefüllt hatte, und wir nagten uns dann monatelang durch diese Vorräte wie Mäuse durch einen Emmentaler), sondern auch bei der Anzahl der geliehenen Silberbestecke. Doch der Betreffende kam am Ende nicht. Er soll es angeblich nicht für nötig erachtet haben, vor der Nazihydra, die hinter dem Zaun zu Österreich wütete, zu fliehen. Wiewohl Nabokov in einem gewissen Moment andeutete, er könne jenen österreichischen Entomologen vielleicht in seinem großen Koffer haben. Ich konnte mir den Bauch jenes Kofferungetüms eher mit Büchern, Manuskripten und Lexika vollgefüttert vorstellen.
    Jene kaum vierundzwanzig Stunden mit Nabokov brannten sich in meinem Kopf ein als eine einzige riesigeEuphorie meines Vaters, als Vaters euphorischer Wal, der durch unsere Zimmer und durch das Speisezimmer und dann auf die Straße freigelassen bis zum nahen Comenius-platz schwamm. Besonders deutlich nahm ich wahr, wie Vater seine Lust an Konversation auslebte: Sie redeten russisch, französisch, deutsch, verflochten mit sichtlichem Genuss die drei Sprachen, die Vater fast so souverän wie sein Gast beherrschte, wenngleich ich nur die deutschen und ein wenig die russischen Passagen verstand. Die

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