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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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wo ich dann ein Taschentuch ausbreitete.
    Es war ein früher Abend im Spätsommer beziehungsweise zu Herbstbeginn, ein Abend, den man vielleicht ganz reizend nennen könnte, würde ihn jemand zum Beispiel hinsichtlich der flaumigen Wolken bewerten, die locker und unzüchtig weiß waren und deren oberster Teil die Form eines Blumenkohls hatte, Meteorologen, falls ichnicht irre, nennen sie Kumuluswolken. Nun ja, bald werde ich sie, sobald ich die Stellung einnehme, bei der ich aus der Froschperspektive dem Herrgott in die Fenster schaue, noch deutlicher sehen.
    Ich knie nieder und platziere den Kopf in die Spitze eines von den Ellbogen begrenzten gleichschenkeligen Dreiecks. Dann stemme ich die Stirn so gegen den Boden, dass die ineinander verschränkten Finger eine Kopfstütze bilden, hebe das Becken und tripple mit auf die Zehenspitzen gestützten Füßen mit kleinen Schritten näher, bis ich mit den Knien den Rumpf berühre. Worauf ich das Körpergewicht und den ganzen Schwerpunkt auf die Unterarme und den Scheitel verlagere und, sie nach und nach anziehend, die Beine vom Boden hebe, wobei der Kopf wie durch eine Schraube mit dem Boden verbunden bleibt. Da jedoch bin ich schon im Begriff, die Beine langsam zu strecken, damit sie in gerader Linie zum Rumpf und senkrecht zur Erde sind.
    Aber in dem Moment, in dem ich so weit war und nur noch darauf wartete, dass ich mich, mit etwas Glück, gleich auf den imaginativen Einblick würde konzentrieren können, war es mit einem Schlag vorbei damit, weil begeisterter Applaus ertönte, der mich aus allem herausriss. Und als ich die Augen von den flaumigen Kumuluswolken löste, die schon vom rosa Zünglein des Abendrots beleckt wurden, sah ich mich auf drei Seiten von Zirkusbesuchern umringt, die mein Sirsasana offenbar für eine Zirkusnummer hielten, denn wer hatte hier schon eine Ahnung von buddhistischem Yoga. So blieb mir nichts anderes übrig, als mich nach drei Seiten hin zu verbeugen,Autogramme zu verteilen und mich geschickt zu vertschüssen.
    Die Lichter über dem Zirkusamphitheater erloschen eines nach dem anderen, und die Manege leuchtete voll auf, jener riesige von allen Seiten von Scheinwerfern perforierte Rossapfel, jene fliegende Insel Laputa von Gulliver, und es roch nach mit dem Schweiß von Tierdressur getränkten Sägespänen.
    Und dann ertönte schon das Entree, und die lange Folge der Zirkusauftritte lief an, bei denen sich Trapezkünstler, Olsens fliegende Plejade, mit Bodenakrobaten abwechselten, einer scheckigen Reitschule Tellerwerfer und andere Jongleure, Illusionisten, Auguste und eine große Artistenfamilie, die einander behände auf Schultern und Köpfen herumsprangen, folgten, und dann wieder menschliche Pyramiden und Rad fahrende Bären, bis schließlich Tiger die Musikclowns ablösten.
    Und in dem Moment, da begonnen wurde, um die Manege herum massive Käfigwände aufzubauen, deren Verbindungsstangen mit speziellen Stahlflanschen ineinander verhakt waren, und das ganze Zirkuszelt von betriebsamer Arbeit schallte, und während die Verkäufer unter den Zuschauern Eskimo- und Ledomedo-Eis austeilten, in dem Moment sah ich, wie das Musikpodium über dem Eingang in die Manege eine Dame betrat, in der einen Hand trug sie ein Stühlchen und in der anderen ein mit Röschen und Herzchen bedrucktes kleines Kissen. Ich erkannte sie sogleich, obwohl ich sie bisher nur auf Fotos gesehen hatte (und eines davon trug ich jetzt immerbei mir wie die Soldaten im Ersten Weltkrieg ein Bild von Kaiser Franz Josef), es war die Elektrische Belinda höchstpersönlich. Also hatte ich mich nicht geirrt. Sobald ich in ihrem Zimmer das Plakat mit dem durch einen brennenden Ring springenden Tiger gesehen hatte, war ich mir sicher gewesen, dass jener wackere Dompteur in der Livree mit den goldenen Schnürchen, der den brennenden Ring über dem Kopf hielt, dass das der Quartalsgeliebte der Elektrischen Belinda war.
    Sie stellte das Stühlchen ganz an den Rand des Orchesterraums und setzte das kleine Kissen drauf und sich selber auf das Kissen. Und kaum hatte sie sich niedergelassen, begann sie sich sogleich systematisch die Nägel an der linken Hand abzubeißen. Und meine sensiblen Nerven, die immer vorrangig auf alles hin witterten, was den aktuellen Fall betraf, hörten jetzt sogar trotz des Lärms von den Umbauten in der Manege ziemlich deutlich das Nägelkauen und das darauffolgende Klirren eines in ein abgelegtes Musikinstrument springenden Fingernagels. Und ich begriff,

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