Das Versprechen des Architekten
Ich hob sie auf und stürzte mich damit auf den Papierbullen. Ich holte einige Male weit aus, schlug zu und traf die Gestalt im Gesicht und an der Brust und wiederholte das immer und immer wieder. Dann jedoch geschah etwas, das mir den Atem nahm: Die Mauer bewegte sich und ein großer Brocken fiel irgendwohin in die Dunkelheit hinter ihr. Ich legte die Spitzhacke nieder und griff nach der noch eingeschalteten Taschenlampe, die ich vor der Attacke auf den Papierbullen neben etwas wie ein Regal gelegt hatte, und leuchtete in die Dunkelheit hinter der durchgebrochenen Wand. Ein großer Raum, den das Licht meiner Taschenlampe nicht durchdringen konnte, tat sich dort auf. Das Licht war nur wie ein in einen riesigen schwarzen See geworfener kleiner Kieselstein.
Natürlich hatte ich wie praktisch jeder vom Brünner Untergrund gehört. Man erzählte, er sei vergleichbar mit dem in Znaim. Und man meinte damit natürlich nicht das Kanalisationssystem, die Abwässerkanäle, sondern unterirdische mittelalterliche Gänge, die nur zum Teil zugänglich waren als ausgedehnte Kellergewölbe verschiedener Gaststätten im historischen Stadtkern, die es jedoch auch unter dem bischöflichen Konsistorium und unter den Klöstern gab. Und bekannt war auch, dass bei der St. Jakobskirche unter dem Jakobsplatz wahrscheinlich sich weit erstreckende Räume existierten, in denen die Krypten der Kirche in riesige Keller mit den Beinhäuserndes ehemaligen Friedhofs um die Jakobskirche übergingen. Die Běhounská ulice ist die Verbindung zwischen Jakobsplatz und Freiheitsplatz, und weil auf dem Freiheitsplatz früher die St. Nikolauskirche stand, könnte unter der Běhounská wiederum eine ehemalige unterirdische Verbindung zwischen St. Jakob und St. Nikolaus bestehen. Vermutlich also abermals Beinhäuser und Krypten.
Darüber dachte ich in diesem Moment aber nicht allzu viel nach. Bereits problemlos hatte ich die Reste der meinen Keller vom Untergrund trennenden Zwischenwand durchgebrochen und war weiter vorgestoßen. Ich befand mich nun in einem langen breiten Stollen, der teilweise in das Felsmassiv gehauen war, dessen Rücken sich wie der versteinerte Körper einer gigantischen begrabenen Echse unter der Běhounská hinzog. Wobei hier allerdings gesagt werden muss, dass ich all das, wovon ich jetzt spreche und noch sprechen werde, selbstverständlich nicht bei jenem ersten Vorstoß entdeckte, als ich mich mithilfe des unzureichenden Taschenlampenlichts in jenem dunklen Labyrinth zu orientieren versuchte. (Heute vermischt sich schon alles für mich, und ich kann nicht auseinanderhalten, was ich, nur mit der kleinen Taschenlampe ausgerüstet, während jener ersten Erkundung registrierte und was ich erst im Licht der Scheinwerfer betrachtete, die ich mir später dort montierte.) Das Gewölbe war ein Tonnengewölbe, an einigen Stellen beschädigt, aber nirgendwo so, dass es einzustürzen drohte. Hingegen fand ich immer wieder Abschnitte später eingefügten Mauerwerks, aus Ziegeln und Bruchstein. Sicher ist, dass es sich um kein Beinhaus handelte, nie habe ich dort ein auch noch sowinziges Knöchelchen zertreten, bin dafür aber auf riesige Schimmelblüten gestoßen, die mir wie die weißen Rüssel der üppig wuchernden Vegetation eines unterirdischen Gartens aus dieser Dunkelheit entgegenleuchteten.
Dieser breite gewölbte Raum hier war zweifellos mittelalterlicher Herkunft und später vermutlich verschiedentlich genutzt worden. Im Gewölbebogen fand ich beispielsweise Reste spezieller Eisen, meiner Vermutung nach Halterungen für Körbe und Säcke mit Lebensmitteln, die auf diese Weise vor der Fressgier von Nagetieren geschützt waren. Also vielleicht ein zu seiner Zeit gigantischer Kühlschrank? Und wegführend von dieser Örtlichkeit entdeckte ich wiederum eine Kaverne, also eine querliegende Höhle, die die glatt laufende Mauer unterbrach, und in dieser Höhle einiges, was darauf hinwies, dass sie irgendwelchen religiösen Zwecken gedient hatte. Eine steinerne unterirdische Kapelle mit Stufenaltar und bereits kaum mehr erkennbaren, verwischten Fresken?
Und eine interessante Entdeckung erwartete mich auch am Ende jenes langen und breiten Stollens, am Ende dieses gewaltigen mittelalterlichen Gewölbekellers, wie ich vorerst mal sage, also dort, wo der Stollen mit einer glatten Steinmauer abgeschlossen war, die eindeutig erkennen ließ, dass er hier endete und sich mit keinem weiteren unterirdischen Labyrinth mehr verband. Ich schätzte, dass
Weitere Kostenlose Bücher