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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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schon Synchronizität? Wenn sich zwei Dinge ereignen, die unter höchst merkwürdigen Bedingungen zueinander gehören, was jedoch, diese gegenseitige Zugehörigkeit nämlich, erst klar ist, wenn beides gleichzeitig passiert. Hätte ich den Eingang in den Untergrund entdeckt und nicht am Vortag Nabokovs Erzählung gelesen und hätte ich umgekehrt nur jene Erzählung gelesen und dabei nicht jenen Weg in den mittelalterlichen Keller entdeckt, hätte ich nicht diesen Einfall gehabt, wäre nicht diese Idee in mir aufgelodert. Die Erzählung und dieses unterirdische Kellergewölbe hatten sich berührt, hatten einanderLeben eingeflößt, und ich wusste plötzlich genau, was ich zur Rettung meiner Seele unternehmen musste.
    Vor allem brauchte ich ein Auto. Es war nämlich unvorstellbar, dass ich das Ding vom Jirásek-Viertel, aus der Sedlákova ulice, auf einem Handkarren transportieren würde. Um mich jedoch nicht etwa unnötig zu stressen, ging ich zuerst einmal hin, um mich zu überzeugen, ob es überhaupt noch da war.
    In dem Antiquitätenladen nämlich, den man über eine ins Souterrain führende Treppe betrat. Über der Tür hatten sie eine kleine Glocke, aber die läutete schon längst nicht mehr. Jemand hatte boshaft das kleine Metallherzchen lahmgelegt.
    Ich komme nur, um nachzusehen, ob Sie den Bärenkäfig noch haben.
    Wie könnten wir ihn nicht haben, Herr Architekt! Ein absolut unverkäuflicher Plunder. Der Krempel wird am Ende im Alteisen landen …
    Keineswegs. Ich werde ihn noch heute oder morgen wegschaffen.
    Aber um Gottes willen, warum sollten Sie das tun? Das ist ja, Herr Architekt, als würden Sie mir sagen, dass Sie noch heute oder morgen mit einer Havannazigarre kommen und sie mir anbieten!
    So ist es, Sie haben’s erraten, lache ich.
    Fast genau gegenüber dem Haus, in dem ich wohne, befindet sich ein Ambulatorium in der Běhounská. Der Vorgesetzte meiner Frau, der Chef des ganzen Zentrumsdort, ist Doktor Štefl. Und er gehört zu den Personen, denen ich unmittelbar nach dem Krieg ihren dämlichen Geschmacksvorstellungen entsprechende Villen gebaut habe und die sich dann, wenn sie davor standen, vor lauter Glück in die Hosen pinkelten.
    Ich müsste mir für circa ein Stündchen Ihren Hadimrška leihen. Keine Angst, ich hab’ einen Führerschein.
    Er vertraut mir den Garagenschlüssel an und fügt noch ein paar gute Ratschläge hinzu.
    Die Garage ist in der Hybešova. Aber auf dem Weg zur Garage erinnere ich mich, dass ich mich bislang noch gar nicht über etwas sehr Wichtiges geäußert habe. Aus Scheu oder aus übertriebener Vorsicht, und dabei könnte diese Geschichte kaum so weitergehen, wie sie am Ende weitergegangen ist, wenn ich in dem mittelalterlichen Keller nicht nur den vorübergehenden Zufluchtsort der deutschen Mieter des Hauses in der Běhounská entdeckt hätte, nicht nur ihr Mobiliar, die Betten und diverses verschimmelndes Zeug, sondern auch einen Koffer, in dem sie – bevor sie aufbrachen zu einer vorsichtigen Begehung des Terrains, oder was immer sie aus ihrer relativen Sicherheit herausholte – all ihren Schmuck und außergewöhnliche Kostbarkeiten verstaut hatten,
sicher ist sicher
. Ach, wie sicher sie sich waren, dass sie, um alles zu holen, wieder dorthin zurückkehren würden! Seit jener Zeit, seit Kriegsende, sind sieben Jahre vergangen, und zurückgekommen sind sie selbstverständlich nicht mehr. Sie sind heute entweder schon tot oder leben weit jenseits der Grenzen unseres Landes. Darum kann ich meinen Fund wohl als dasErbe jener erachten, die hier alles verlassen mussten, als sie einen Weg zu finden, eine Art zu finden versuchten, wie sie wenigstens halbwegs am Leben bleiben könnten. Im Übrigen war ich nicht gewaltsam in jenes mittelalterliche Kellergewölbe eingebrochen, in ihr unterirdisches Asyl, sondern hatte es bloß zufällig geöffnet während meines Anfalls von Raserei, den vielleicht auch sie verstanden hätten, wie ihn alle Vertriebenen und Gehetzten verstehen werden, alle, die sich gegen institutionalisierten Hass mit einem Ausbruch hilfloser Wut zur Wehr gesetzt haben.
    Schließlich waren auch die Nabokovs solche Flüchtlinge gewesen. Und da sind wir bei einer weiteren Sache, von der ich jetzt noch reden möchte. Bei der Geschichte von Nabokovs Erzählung „Hier wird russisch gesprochen“:
    Die Familie eines russischen Emigranten in Berlin, der zufällig ein Tschekist, ein Angehöriger der Staatssicherheit, in die Hände fällt, also ein Beamter vom

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