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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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schon los.
    Als ich Modráček versicherte, ich sei in der Zbrojovka, um dort ehemalige Partisanen zu meinem Roman zu konsultieren, habe ich natürlich gelogen, aber er hat es sowieso nicht geglaubt. Es gibt dort keine Partisanen. Im Gegenteil, wie ich – weil alle Arbeiter hier dazu tendieren, sich gegenseitig zu denunzieren, es ist eine Unart von ihnen und vielleicht auch ihre einzige Freude im Leben – während jener zwei Jahre in dieser Fabrik nach und nach erfuhr, hat jeder hier seinen Protektoratsmakel. Gleich nach seinem Antritt hatte Reinhard Heydrich tatkräftige Schritte gesetzt, damit die in der Waffenindustrie tätigen tschechischen Arbeiter verschiedene außerordentliche Vorteile hätten. Erkenntlich zeigten sie sich ihm auch dadurch, dass sie dann willfährig mit der Gestapo zusammenarbeiteten. Und nach dem Krieg organisierten dann die Brünner Zbrojovka-Arbeiter den „wilden Abschub“ der Deutschen, um auf diese Weise ihre Protektoratssünden zu tilgen. Also so eine „Geschichte eines wahren Menschen“ aus der Brünner Zbrojovka, das wäre fürwahr ein literarisches Ereignis, für das ich gleich jenen höchsten, hoch hängenden, Staatspreis bekommen könnte: den Strick. Ach, das war kein guter Witz. Ich verstehe das so, dass es in manchen Dingen vorläufig nötig ist, den Schnabel zu halten, weil die sozialistische Gemeinschaft voneiner feindlichen Welt umringt ist und jedes unserer Worte auf die Waage gelegt wird, und wenn wir nur ein wenig unbedacht mit der Zunge stolpern, heben die Feinde des Sozialismus sofort die Köpfe. Aber einmal, und ich zweifle nicht daran, wird die Zeit kommen, in der die sozialistische Ordnung stark genug sein wird, die Wahrheit zu ertragen.

SOMMER 1952 – SOMMER 1947
    Ein sonniger Sommertag gegen Ende Juni 1952. Als Architekt Modráček mittags von der Bauaufsicht bei den Wohnblocks in der Botanická zurückkam, blieb er überrascht vor einer Auslage gegenüber dem Haus in der Běhounská 3–5 stehen. Direkt neben dem Lokal Cajpl befand sich dort eine Verkaufsstelle mit Brett- und Kartenspielen. Aber das, was er jetzt dort sah, war fast ein Schock für ihn im ersten Moment. Er trat näher, um sich davon zu überzeugen, dass er sich nicht geirrt hatte. Eindeutig, ein Schachbrett und auf ihm aufgestellt ein Schachproblem, das Zweizüger genannt wird. Das war an und für sich nichts Überraschendes. In der Verkaufsstelle für Brett- und Kartenspiele hatte man den Einfall gehabt, jede Woche einen Zweizüger ins Schaufenster zu stellen, und wer von den zufällig vorbeikommenden Passanten es schaffen würde, ihn zu lösen, würde als Belohnung irgendeine Schachpublikation, wie sie auch dort verkauft wurden, bekommen. Jener Zweizüger, der gerade jetzt dort stand, allerdings zog Modráček in seinen Bann, wie kein anderer Zweizüger auf der ganzen Welt es vermocht hätte … Modráček stand einen Moment lang betroffen da, und dieser Moment trug ihn hinweg über eine Reihevon Jahren. Bis zu einem sonnigen Tag irgendwann im Sommer des Jahres 1947.
    Ein sonniger Sommertag des Jahres 1947. Modráček befestigte in seinem Atelier in der Kounicova gerade Pauspapier auf gehämmertem Papier, um die definitive Form der Familienvilla für den Advokaten Pyš mit Tusche auszuziehen, als unten jemand läutete. Es war ein lockenköpfiges Büblein.
    Mein Papa schickt mich zu Ihnen.
    Und wer ist dein Papa?
    Baumeister Konečný.
    Das war keineswegs eine Überraschung. Jetzt, wo Modráček arbeitete wie ein Pferd und eine Villa nach der anderen baute, jetzt wo er wirtschaftlich Hochkonjunktur hatte, rief er das Interesse der Brünner Baumeister hervor, all jener, die sich liebend gern an seiner Konjunktur beteiligt hätten. Weshalb er sich etwas in der Art auch von der Nachricht Baumeister Konečnýs erwartete. Und daher streckte er dem Jungen die geöffnete Hand entgegen. Aber der Junge griff nicht in die Tasche und überreichte ihm nicht die Visitenkarte seines Herrn Papa mit einem Angebot der Zusammenarbeit auf der Rückseite, versehen mit dem beredten Hinweis, dass die Baufirma Konečný und Svátek auf die beste, noch in Vorkriegszeiten zurückreichende und die Zufriedenheit von Architekt und Auftraggebern garantierende Tradition verweisen könne. Keine Spur, nichts in der Art. Der Junge richtete nur aus, Papa ließe grüßen, und: er habe was für mich, das mich hoch erfreuen würde. Und ich solle es am Abend im SchachklubAvion abholen. Und bevor Modráček etwas dazu sagen

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