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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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mir, dem sei zwar noch nicht so, aber dass er gerade vorhabe, dieses von mir geschriebene Kinderbuch zu Hause als Köder auszulegen. Und da erklärte wiederum ich ihm, dass Kinder so nicht gemacht werden und dass ich ihn, wenn er noch eine Minute warten würde, bis ich meine Sachen zusammengepackt hätte, ins Stopekzum Abendessen einladen und ihm dort das Prinzip des Kindermachens erläutern würde. Wir debattierten ein Weilchen, wer von uns wen einzuladen hätte: In Brünn wimmelte es förmlich vor lauter Modráčekvillen, während ich gerade mal meinen ersten kommerziellen Erfolg verzeichnen konnte. Umso mehr jedoch bestand ich darauf, der Einladende zu sein, und daher einigten wir uns, dass nächstes Mal er mich einladen würde. Wir aßen im Stopek damals Fasan (Faisan en barbouille), wer würde sich daran nicht erinnern, verdaute ich doch an diesem Abend das Gefühl, gerade den Fuß auf die Leiter gesetzt zu haben, auf der ich jetzt schnell zum Schriftstellerolymp hinaufeilen würde. Und auch von meinem soeben angefangenen Roman begann ich gutgelaunt im Stopek zu erzählen. Modráček hat sich dann lange nicht gemeldet. Aber das verstand ich. Dinge gingen vor, die alles wegschoben, die Zeit riss die Vorhänge auf, alles änderte sich, und ich endete statt auf dem Olymp in der Fabrik.
    Diesmal also lud er mich zum Abendessen ein. Natürlich wieder ins Stopek. Seltsamerweise hat dieses altertümliche Feinschmeckerrestaurant und Bierlokal die revolutionäre Gärung unbeschadet überlebt, und es wird hier immer noch gut gekocht. Es gab zwar keinen Fasan, nur Wildkaninchen mit Pflaumen, aber auch das war ein Gourmettraum, wie er mir schon lange nicht mehr geträumt hatte. Und als zu dem Hasen dann noch weitere Gänge hinzukamen, wollte ich mich an der Rechnung beteiligen, wer wüsste nicht, wie teuer heute alles ist, aber er winkte ab, an der Reihe sei doch jetzt er, ganz zu schweigen davon, dass er immer noch als Architekt aktivsei, während man mich irrtümlicherweise und aus Versehen vorübergehend auf einen nicht sonderlich lukrativen Posten abgeschoben habe.
    21. November 1952 Ich komme noch einmal auf das Abendessen mit Architekt Modráček vor einigen Tagen zurück. Ich kann nicht einfach so darüber hinweggehen. Zumindest ist es eine interessante Begegnung und merkwürdige Unterhaltung gewesen. Als Erstes erkundigte er sich nach meinem angefangenen Roman, von dem ich bei dem vorweihnachtlichen Fasan damals gutgelaunt erzählt hatte. Obwohl mir gleich klar war, dass er mich nicht jenes Romans wegen zum Abendessen eingeladen hatte, konnte ich trotzdem nicht widerstehen und kam neuerlich ins Erzählen. Die Arbeit am Buch war ein paar Jahre lang liegen geblieben, aber das passiert eben manchmal mit Romanen, aufgegeben hatte ich ihn keineswegs, nur einige Umstellungen musste ich vornehmen. Die führende Rolle in diesem Partisanenkampf auf der Vysočina, der Böhmisch-Mährischen Höhe, hatte ich ursprünglich nämlich irgendeinem Fallschirmspringer zugedacht, der aus London zu uns entsandt worden war. Ich hatte mich damals, gleich nach dem Krieg, sogar mit einem unserer Piloten aus der Royal Air Force getroffen, um mich in dieser Frage mit ihm zu beraten. Heute allerdings weiß ich schon, dass ich die führende Rolle im Partisanenkampf sowjetischen Fallschirmjägern anvertrauen muss. Und das ist auch der Grund, warum ich schon das dritte Jahr in der Zbrojovka arbeite. Es gibt dort ein paar ehemalige Partisanen unter den Arbeitern.
    Ausgezeichnet, ich werde mich freuen, wenn es dir gelingt, den Roman in eine exzellente Form zu bringen, beendete Modráček diesen Teil unserer Unterhaltung. Natürlich überraschte es mich überhaupt nicht, als er mir auf diese Art und Weise schon nach zehn Minuten quasi aufmerksamen Zuhörens den Hahn abdrehte und zu dem überging, weswegen er mich ins Stopek eingeladen hatte. Aber als ich dann hörte, worüber er mit mir reden wollte, war ich denn doch bass erstaunt. Ich wusste, dass er ein hervorragender und vermutlich sehr erfolgreicher Architekt war, in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil von mir, ein stets rational überlegender Praktiker. Und so hätte ich nie erwartet, dass ihn so spezielle literarische Fragen, wie es die Beziehung von Fiktion und Wirklichkeit ist, interessieren würden. Anfangs verstand ich das aber falsch und glaubte, er wolle vielleicht selber versuchen etwas zu schreiben. Die meisten erfolgreichen Menschen sind überzeugt, dass das Schreiben nur so ein

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