Das Versprechen des Architekten
bekannt vor, jenes Schneckenhaus und die Spirallinie, die es von der Silhouette eines breitbeinig dastehenden Mannes trennte,aber erst, als er näher kam und die Signatur in der Ecke sah, drehte er sich zu dem Baumeister um und wartete auf eine Erklärung.
Wissen Sie, wir nennen es spaßeshalber „Russisches Roulette“. Schach ist kein Glücksspiel, so sieht es keiner von uns, aber einmal im Monat machen wir eine Ausnahme in unserem Klub. Und dann wird, um es so auszudrücken, ums Leben gespielt. Es ist ein aufregender Abend, ganz auf das einzige Schachbrett konzentriert, den einzigen Tisch, um den wir uns scharen, und die Partie muss bis zur Sperrstunde des Cafés beendet werden. Ich werde Ihnen hier nicht erzählen, um was alles schon gespielt wurde bei diesem „Russischen Roulette“, übrigens ist dies ein Geheimnis unseres Schachklubs. Und ich werde Ihnen auch nicht erzählen, welchen Gegenwert ich damals angeboten habe, falls ich die Partie verlieren sollte. Ich vertraue Ihnen nur an, dass der ursprüngliche Besitzer des Bildes ein österreichischer Emigrant tschechischer Herkunft war, der nach dem Anschluss nach Frankreich flüchtete, wo er unter abenteuerlichen Umständen zu diesem Bild gekommen ist, später nahm er es mit nach Amerika, und nach dem Krieg brachte er es in seinem Köfferchen wieder zurück nach Europa. Und weil er ein Hasardeur und gleichzeitig ein hervorragender Schachspieler war, konnte er dem Angebot nicht widerstehen, mit diesem Bild ins „Russische Roulette“ zu gehen, und nach einem nervenzerreißenden Spiel, bei dem sich alle um unseren Tisch drängten und sich sogar die Kellner und Serviererinnen unter die Zuschauer mischten, hat er die Partie verloren. Das ist genau vor einem Jahrpassiert. Der ursprüngliche Besitzer des Bildes blieb dann nicht mehr lange hier. Nach Österreich, wo noch die sowjetische Zone war, wollte er nicht zurückkehren, und bei uns erschreckten ihn die vorjährigen Wahlen mit dem klaren Sieg der Kommunisten. Er ist davon überzeugt, dass wir hier in das, wovor er ständig flüchtet, bald hineinrasseln werden. So, und jetzt zur Frage, warum ich mich damit an Sie gewandt habe. Sie haben nämlich wahrscheinlich etwas, das ich furchtbar gern hätte, und daher bin ich bereit, es gegen dieses Bild einzutauschen, was halten Sie davon?
Obwohl Modráček noch nicht ahnte, was er als Gegenwert anzubieten hatte, wusste er schon, er würde es tun, denn welcher Architekt würde nicht gerne ein Bild von Le Corbusier besitzen? Le Corbusier und Adolf Loos waren die zwei markantesten Ikonen der Anfänge der Avantgarde der europäischen Architektur, die mit ihren Bauten eine neue Etappe eröffneten, und gleichzeitig Theoretiker, deren Ansichten dem Funktionalismus den Weg ebneten. Und Le Corbusier war auch bildender Künstler, Maler, laut seinen Worten stellten die bildende Kunst und die Architektur eine Einheit dar. Aber noch bevor Modráček seine Frage stellen konnte, schaffte es Konečný, sie schon zu beantworten:
Weil mich dieses Bild nicht viel gekostet hat, soll gelten: Wie gewonnen so zerronnen. Ich habe es bei einer Schachpartie gewonnen und biete es Ihnen im Tausch gegen zwei Zweizüger an.
Ich verstehe nicht.
Ich beeile mich ja schon, es Ihnen zu erklären. Wie ich bereits sagte, haben Sie wahrscheinlich etwas, das ichfurchtbar gerne hätte. Wie ich weiß, hat Ihr Vater jahrelang mit dem Schriftsteller Vladimir Nabokov korrespondiert. Er hat Gedichte und Erzählungen von ihm übersetzt, und angeblich haben sie sich auch kurz getroffen. Und Nabokov ist nicht nur ein guter Schriftsteller, was ich im Übrigen nicht beurteilen kann, aber vor allem ist er der Schöpfer der brillantesten Zweizüger. Ein Zweizüger ist ein Schachproblem, bei dem Weiß mit dem zweiten Zug ein Matt erzielt. Und die Lösung der besten Zweizüger ist immer ein fast transzendentales oder, wenn Sie wollen, mystisches Erlebnis. In dem Moment, in dem man diese zwei zum Matt führenden überraschenden Züge findet, verschiebt sich tief in einem etwas, und Ameisen laufen einem über den Rücken. So eine Schönheit ist das und so sehr trifft einen das! Genau das ist mir mit einem von Nabokovs Zweizügern passiert, auf die ich zufällig in der russischen Emigrantenzeitschrift „Sowremennyje Sapiski“ gestoßen bin. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Nabokov, vielleicht ein guter Schriftsteller, aber vor allem der Schöpfer genialer Zweizüger, ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich
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