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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Arbeiterfamilie in Zeiten, da unsere Wirtschaft gelähmt ist von den jüngst ruchbar gewordenen Aktivitäten des staatsfeindlichen Verschwörerzentrums, nicht mehr als ein Fleischgericht wöchentlich leisten kann, haben hier irgendwelche Geldsäcke, denen man auf den Zahn fühlen müsse, schon ein Wildkaninchen, zwei Rebhühner und ein Spanferkel vertilgt, und wenn ihnen nicht beizeiten jemand einen Strich durch die Rechnung mache, würden sie sich noch einen Truthahn, eine Ente, eine Gans, Kalbsbries, Rheinlachs, Champagnerforelle, Lammkebab und als Gipfel vielleicht auch noch Froschschenkel bestellen.
    Ich habe mir fast nichts von dieser letzten halben Stunde unseres lukullischen Gelages im Stopek gemerkt. Die Ladung an Bieren und gehäuft vollen Tellern war ja schon so monströs, dass ich in einer Art Nebellandschaft zu verweilen begann. Mir schwant nur so, wetten würde ich aber mit meiner wie von Teer, Ruß und Kohlenstaub verdreckten Seele nicht, dass der Genosse Architekt amEnde nicht doch noch jene Geschichte erzählte, die ihn so quälte, an deren Verifizierung ihm so viel lag. Aber ich erinnere mich nur insofern an sie, als sie sehr bizarr gewesen ist. Etwas von einem eingesperrten Polizisten. Doch ihre Bizarrheit allein erklärt nicht, warum sich Modráček so seltsam benahm, als wolle er mir etwas wie ein Privat-patent zur Herstellung hitzebeständigen Leims anvertrauen oder vielleicht gleich das Geheimnis des Heiligen Grals. Es hätte mich schon stutzig machen müssen, dass er einen Tisch für uns reserviert hatte im sogenannten „Bunker“, das heißt, in so einer klaustrophobischen Nische, wo wir vom Betrieb im Speisesaal isoliert waren und von wo aus wir diesen nur wie einen Ball von Seeungeheuern aus der Luke eines U-Boots beobachteten. Und was war an unserem akademischen Geschwätz über Literatur denn so Provokantes oder gar Gefährliches, dass Modráček, wann immer sich ein Kellner unserer Nische näherte, schnell verstummte, abbrach mitten im Satz, und erst als wir den Rücken des Kellners sahen, wieder weiterredete?
    Verlassen haben wir die Luxusbierkneipe erst, als Sperrstunde war, als uns der Oberkellner dienstfertig unter Einsatz von Händen und Füßen auf den Gehsteig hinauskomplimentierte. Dort fielen wir uns auf Art kommunistischer Führer in die Arme, küssten uns gegenseitig links und rechts ab und stoben auseinander in unsere Domizile. Mit schwerem Schritt beförderte ich mich zur Haltestelle in der Kobližná und fuhr mit der letzten Nachttram von dannen. Ich fiel ins Bett wie Robespierres Kopf in den blutigen Henkerskorb, und im ersten Traum, der mir noch auf jener schlecht bewachten Grenze zwischenSchlaf und Wachen träumte, sah ich die Fiktion, wie sie das haarige Erbrochene der Wirklichkeit aus sich herauswürgt.
    11. Dezember 1952 Ich fuhr nach Prag zur Ausstellung „Die Meister des Sozialistischen Realismus“, und auf der Nationalstraße traf ich dann den Genossen Sklivec. Ich wechselte mit ihm nur so en passant auf dem Gehsteig ein paar Worte, und es war eigentlich ein Wunder, dass er mich erkannte, dass er sich an mich noch erinnerte. Wir waren einander vor einiger Zeit bei irgendeiner Prager Schriftstelleraktion begegnet, aber das war noch vor dem Siegreichen Februar gewesen, und auch ein paar Schriftstellerabenteurer, die dann der Emigrationswind in alle Himmelsrichtungen auseinander wehen sollte, hatten sich dort aufgehalten. In den letzten Jahren war Sklivec’ Schriftstellerkarriere steil nach oben verlaufen. Er war unter den Ersten, die den Gottwald-Preis abzockten, für einen Roman über ich weiß nicht mehr was, und gerade jetzt kam eine Buchreportage über sowjetische Kolchosen von ihm heraus.
    Warum schreibst du nicht die Geschichte eines wahren Menschen?, fragte er mich im Geschiebe der Passanten in der Nationalstraße. Aber wo soll ich, verzeih, bei uns irgendeinen Meresjew finden? – Spinnst du, es muss ja nicht gleich ein Pilot ohne Beine sein. Du sagst, du bist in der Fabrik, also schnapp dir dort irgendeinen Arbeitertypen, irgendeinen Leiter von einer Brigade der sozialistischen Arbeit und schreib seine Biografie. Das ist’s, worum es hier geht. Keine Erfindungen mehr, sonderndas wirkliche Leben! Die Zeit der Romane ist zu Ende, und die Zeit der wirklichen Lebensgeschichten ist angebrochen, die so viel hergeben wie Dutzende „Krieg und Frieden“ und „Zauberberge“ und ähnliche dieser Narreteien. Und er drückte meine Schulter: Verzeih, ich muss

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