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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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dessen nicht vor Ihrem Vater gerühmt hat. Also morgen zur gleichen Zeit am gleichen Ort. Bringen Sie mir zwei von Nabokovs Zweizügern mit und der Le Corbusier gehört Ihnen.
    Und er entließ ihn gnädig, und Modráček hastete sogleich zu seiner schon sehr ungeduldigen Freundin.
    Modráček war sich weder sicher, ob das Bild ein Original noch ob das Ganze nicht nur ein Scherz von Konečný war, ob der Baumeister ihn nicht einfach nur auf dieSchaufel nahm, weil er ihn nicht eingeladen hatte, an seiner Baukonjunktur mitzunaschen. Und deswegen ließ es ihm keine Ruhe, und er suchte gleich am nächsten Vormittag Professor Krejcar in der Fakultät auf. Wenn es in Brünn eine Autorität gab, für die Modráček die Hand ins Feuer gehalten hätte, war es Architekt Jaromír Krejcar.
    Na, da bist du in Brünn der Einzige, der das noch nicht weiß. Ich selber hab’ mir das Bild schon kaufen wollen, aber er hat nicht mit sich reden lassen. Wenn du etwas hast, das Konečný furchtbar gerne haben möchte, dann würde ich an deiner Stelle nicht zögern.
    Erst jetzt wusste Modráček, dass an der Echtheit des Bildes nicht zu zweifeln war. Er ging sorgfältig die Korrespondenz seines Vaters mit Nabokov durch und alles, was damit in Zusammenhang stand, sämtliche Schriftstücke, fand dort aber nichts, was die russische Notiz einer Aufstellung von Schachfiguren, wie er sie durch Konečný kennengelernt hatte, hätte sein können. Und trotzdem brachte er die ganze Korrespondenz Nabokovs mit seinem Vater sicherheitshalber am Abend ins Avion, und dort setzten sie sich abseits der anderen damit an einen Tisch, und Konečný nahm Blatt für Blatt und überprüfte die mit Nabokovs krakeliger Kyrilliza beschriebenen Seiten. Dann nahm er sich die Briefe noch einmal Blatt für Blatt von hinten vor und legte sie zurück in den Umschlag und verschloss den Umschlag und legte ihn vor Modráček hin.
    Also tut mir leid, Herr Architekt. Aber wissen Sie was?, fragte er und verstummte kurz. Sie hätten das Bild sehr gerne, oder?
    Wer nicht?
    Er nickte. Nun, dann gehen Sie noch nicht. Trinken sie noch ein Gläschen Wein mit mir. Vielleicht verstehen Sie mich nicht ganz, aber für Geld würde ich das Bild nicht hergeben, verkaufen würde ich es nie, nicht einmal für ich weiß nicht was für einen Preis. Wiewohl zu einem schnell erreichten Verlust, scheint’s, bin ich gewillt. Also, versuchen wir es noch anders. Sie sind kein Schachspieler, Herr Architekt, gelt?
    Leider nein. Vielleicht habe ich es einst, noch als Student, zu spielen versucht. Aber irgendwie hat es mir immer an Zeit gemangelt.
    Es ist Ihnen wie ein Zeitverlust vorgekommen.
    Das habe ich nicht gesagt.
    Aber hätten Sie es gesagt, hätten Sie recht gehabt. Dieses Spiel ist ein Zeitfresser. Also, wenn Sie sich an ein Schachbrett setzen würden, wüssten Sie nicht nur nicht, was ein Evans-Gambit ist, sondern könnten vielleicht nicht einmal einen Zug mit einem Springer machen. Irre ich mich?
    Keineswegs, ich wäre mir wirklich nicht sicher bei einem Zug mit dem Springer.
    Um Himmels willen, entschuldigen Sie sich nicht!
    Ich habe nicht vor, mich zu entschuldigen.
    Genauso mag ich es. Sie sind ein unberührter Schachjüngling, ungeküsst von Dame und Turm. Also, mein Angebot steht immer noch. Wir variieren nur das Spiel. Und so frage ich Sie noch einmal: Möchten Sie das Bild? In diesem Fall jedoch unterschreiben wir zusammen einen schriftlichen Vertrag. Und in diesem Fall bitte ich Sie, mich wieder in meine Wohnung zu begleiten. Sicher,worum es in diesem Vertrag gehen wird? Nun, das Bild von Le Corbusier ist Ihr Eigentum, wenn Sie binnen einer Woche, also innerhalb von hundertachtundsechzig Stunden, diesen einzigen Zweizüger von Nabokov, den ich zu Hause habe, lösen. Und mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie mir jetzt, dass Ihnen niemand dabei helfen wird. Und ich bestätige Ihnen wiederum mit meiner Unterschrift, dass ich Ihnen, wenn Sie mir in der vereinbarten Zeit die Lösung zu Nabokovs Zweizüger liefern, augenblicklich und ohne weitere Bedingungen und irgendwelche Verzögerungen das Le-Corbusier-Bild aushändige. Und Sie werden nicht nur das Bild bekommen, sondern die Lösung des Zweizügers wird Ihnen überdies noch ein transzendentales oder, wenn Sie möchten, mystisches Erlebnis verschaffen, und die Schönheit jener Lösung wird sie so treffen, dass sich tief in Ihnen etwas verschieben wird. Nein, sehen Sie mich nicht so an, Herr Architekt, ich meine es ernst. Trinken Sie

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